Süffige Baukultur mit Stil

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Innovative Architektur ist im Burgenland zwar rar gesät. Was man dort allerdings findet, ist allemal eine Reise wert.

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Innovative Architektur ist im Burgenland zwar rar gesät. Was man dort allerdings findet, ist allemal eine Reise wert.

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Sinowatz, Haydn, Störche und schlechte Witze: so denken Wiener über das Burgenland. Eine Tour des Architekturzentrums Wien suchte dort nach moderner Architektur und wurde fündig.

Innovative Architektur im Burgenland ist rar gesät. Was man allerdings findet, ist die Reise wert. Vor allem dann, wenn es sich um modern ergänzte Weingüter handelt. Die im stilvollen Ambiente verkosteten Tropfen lassen sich außerdem als Souvenir gleich mitnehmen: Eine sinnvolle, spätherbstliche Verknüpfung von Lebens- mit Baukultur.

Am Anfang war der Wein: Architekt Raimund Dickinger aus Innsbruck trank bei einem Orgelbauer einen edlen burgenländischen Tropfen, der ihm dermaßen mundete, daß er als Kunde des Weingutes Weninger in der Florianigasse in Horitschon aufkreuzte. Wie es der Zufall wollte, suchte Franz Weninger einen Architekten, der den elterlichen Betrieb auch formal modernisieren könnte. 1982 übernahm er das väterliche Weingut.

Damals brachten sieben Hektar Land genauso viel Ertrag wie heute 22. Mehr Qualität beim Wein und die Spezialisierung auf edle Barriquesorten erfordern mehr Fläche und längere Lagerung als der konventionelle Anbau. Die Investition in Spezialsorten und Qualitätsweinen brachte schon Auszeichnungen, wie beispielsweise die Nominierung Weningers zum "Winzer des Jahres 1995." Die Güte des Blaufränkischen, der von den ältesten Rieden stammt, des Merlot und anderer Rotweine sollte sich aber auch im Erscheinungsbild der Verkostungsräme ausdrücken.

Das bestehende, langgestreckte Grundstück mußte sowohl technisch als auch räumlich aufgerüstet werden. Das alte Wohnhaus und die Lagerhallen gibt es noch, eingekeilt von den beiden präsentiert sich dazwischen ein Juwel zeitgenössischer Architektur.

Fast neun Millionen Schilling hat man sich den Modernisierungsschub kosten lassen. Vornehmes Weinrot und schicke silberglänzende Aluminiumlamellen an der Fassade bringen Schatten und lassen durch die Ritzen gleichzeitig von draußen das Sonnenlicht in den zehn Meter tiefen Innenraum. Metallene Außenstiegen geben zusätzlich Struktur. Ein Knick im Grundstück macht die drei neuen Raumelemente lebendig, die Vinothek in der Mitte springt als Herzstück der Anlage vor. Wer von draußen durch die Lamellen hinter die große Glasfront lugt, sieht helles, freundliches Holz, einen großen Tisch voll selbstgemachter Butterkipferl zur rechten und vornehme Weingläser durch die Scheiben schimmern. Eine Bar im Hinteren des Raumes lädt zur Verkostung, zur linken präsentieren sich Flaschen in allen Rottönen von Rubin bis Zinnober vor Vitrinen.

Sehen, riechen, kosten Sehen, riechen, kosten und schmecken stehen im Vordergrund, ein Blick hinter die Bar führt durch einen Luftraum in den Faßkeller, dem Stiegenlauf hinunter sollte man folgen. Das Kellergeschoß ist nämlich eine faszinierende Welt für sich: hier lagern die edlen Sorten, um bei der konstant gehaltenen idealen Lagertemperatur von 18 Grad zu reifen. Zwei Jahre lang verbringt ein guter Jahrgang hier. Damit er immer das Klima hat, das er braucht, haben Architekten Raimund Dickinger aus Innsbruck und Kriso Leinfellner von "propeller z" ein gefinkeltes, kostengünstiges Rohrsystem entwickelt, das unter dem Keller Luft durch das Grundwasser führt. Das ist noch kälter als gefordert, hat nur 12 Grad, und ergibt, mit Luft vermischt, die Idealtemperatur.

Die beiden Planer waren nicht ganz sicher, ob ihre Idee auch wirklich funktionieren würde. Bauherr Weninger vertraute ihnen, bisher gab es keine Beschwerden. Die Atmosphäre im Keller ist einmalig: Faß neben Faß lagern hier, eigens aus Frankreich, dem Land mit der höchsten Barriquekultur angeliefert, nehmen sie eine faszinierende rosenrote Farbe an, wenn der Wein das Holz durchsetzt.

Im Altweinlager daneben verbreiten fünf riesige Edelstahltanks, die den Inhalt von 100 Fässern aufnehmen, fast klinisches Flair. Auch die diversen technischen Apparaturen, die Flaschenabfüllmaschine, Druckmeßgeräte und ähnliches wirken auf städtische Laien eindrucksvoll. Daß der seriöse, saubere Eindruck, den dieses Weingut selbst im Keller noch vermittelt, stimmt, läßt sich ein Geschoß drüber sofort am landwirtschaftlichen Endprodukt überprüfen.

Bodenständiger, preisgünstiger, aber deshalb noch lang nicht schlechter, präsentiert sich das Weingut Wellanschitz in Neckenmarkt. Nicht einmal 200.000 Schilling durfte die Neugestaltung der Räumlichkeiten durch das Architektenpaar Markus und Gerda Gerner kosten. Sie haben eine Vielzahl bestehender Gebäudeteile durch ein gemeinsames Dach geeint. In dieser Halle wird gearbeitet. Der Trog, in dem man die Maische rebelt, steht da. Außerdem Gärbbehälter, Alutanks, Abfüllanlagen, Barriquefässer. "Diese Eichenfässer werden in Frankreich zwei Jahre luftgetrocknet, damit der Geschmack nicht so dominiert," läßt auch Weinbauer Stefan Wellanschitz seinen Barriquewein nur im originalen Faß zur Reife kommen.

Eine Reise wert "Der Keller ist das Mädchen für alles," entschuldigt er sich mit einem Blick auf die Bierflaschen, die sich hier zwischen lieferfertigen grünen Kisten und noch unetikettierten Weinflaschen finden. Gemeinsam mit Gattin Christina und Bruder Georg führt das Trio den Betrieb. Die familienfreundliche neue Rutsche in den Verkostungsraum hinunter freut nicht nur Kinder, sie hält auch dem Gewicht Erwachsener stand. Schwungvoll läßt sich so ins Kellergeschoß zur Verkostung rutschen. "Eltern haften für ihre Kinder", steht auf der Rutsche vermerkt, für sich selbst haften sie auch.

Der Verkostungsraum ist das ausgereifteste Element der praktischen Neuadaptierung: langgezogen, niedrig, mit leicht gewölbten Deckenplatten besticht er durch sanft einfallendes, indirektes Licht. Am faszinierendsten sind die Weinflaschen, die sich rechts und links der Wand entlang, säuberlich sortiert, kunstvoll in schräge Sperrholzplatten gesteckt finden. Hier gibt es im Gegensatz zum auf Rotwein spezialisierten Weingut Weninger auch Weißweine zu verkosten. Die sind so gut, daß Freunde der weißen Rebe in helles Entzücken geraten.

Wer beim Burgenland immer noch in erster Linie an Burgenländerwitze denkt, sollte sich lieber einmal ins Auto setzen und eine Reise unternehmen.

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