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Eine Ära geht zu Ende

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Die neunjährige Ära Häussermann lief Ende Juni ab, und es ist deshalb notwendig, die Frage zu beantworten, welche Stellung das Burgtheater im kulturellen Leben Österreichs heute noch einnimmt. Gemeinsam mit Josef Schreyvogel (1814 bis 1832), Heinrich Laube (1849 bis 1867) und Franz Dingelstedt (1870 bis 1881) ist Ernst Häussermann der am längsten amtierende Direktor des Burgtheaters gewesen. In den Zeitungen wird sogar von einer zehnjährigen Ära Häussermann geschrieben, doch ist in diesem Fall das Jahr hinzugezählt, in dem Häussermann zum Direktor ernannt wurde, aber noch nicht die Leitung des Theaters innehatte.

Die Länge der Ära müßte eigentlich darauf hindeuten, daß Häusser- manta ein guter Direktor war. Diese Ansicht wird noch dadurch bestärkt, daß die Wiener Presse noch niemals einen Burgtheaterdirektor so schonungsvoll behandelt hat. Audi die Tatsache, daß Häussermann seinen Nachfolger vorschlagen durfte, zielt in diese Richtung, konnte sich doch kein anderer Burgtheaterdirektor eines solchen Privilegs rühmen.

Es ist nicht die Absicht dieses Artikels, dem scheidenden Direktor eine gute oder schlechte Note zu erteilen, wohl aber erscheint es notwendig, durch das Aufzeigen der Mängel, die in der Ära Häussermann aufgetreten sihd, dem künftigen Direktor eine gewisse Starthilfe zu geben, weil die Gefahr besteht, daß er vielleicht schon in Kürze für Dinge verantwortlich gemacht wird, die ihm als Erbschaft zugefallen sind.

Drei große Mängel hafteten der Ära Häussermann an: die geistige Verflachung, der Zerfall des Ensembles mit dem damit verbundenen Verfall des Stils und der Mangel an persönlichem Einsatz von Seiten des Burgtheaterdirektors selbst.

Im Gegensatz zur Oper, die nur schöne und interessante Aufführungen bieten kann, aber keine geistige Aussage fnehr zu geben hat, kommt dieset beün Sprech theater noch eine entscheidende Bedeutung zu. Das Sprechtheater ist noch immer eine Stätte der geistigen Auseinandersetzung. Ein Theater vom Range des Burgtheaters müßte seinen ständigen Besuchern ein Bild von den geistigen Strömungen der Zeit übermitteln. Dies geschah in Wien in den letzten Jahren nur durch das Volks-, nicht aber durch das Burgtheater.

Sicherlich, das Burgtheater braucht nicht Pubertätsstücke aufzuführen, deren Gegenwartsnahe in erster Linie in einer modernistischen Ah- empfindung in Form von Gags und Montage besteht. Es kann auch die dramatisierte Berichterstattung zeitnaher Stoffe ä la Hochhuth und Weiss dem -Volkstheater überlassen,

obwohl beiden Bühnenautoren '.eine außergewöhnliche Begabung schok- kierender . Aufklärung nicht abgesprochen werden kann. Dessen ungeachtet aber muß das Burgtheater das Gegenwartsschaffen als einen Hauptbestandteil seines Spielplans pflegen. Schoh seine Stiftungsurkunde hält fest, „daß wir in der Wahl neuer Stücke nicht auf die Menge, sondern auf die Güte dieser Bedacht nehmen sollten..

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