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Das Zusammentreffen mit Juan Gomez

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Nach diesem interessanten Besuch — der Cazike erkundigte sich eingehend nach der damaligen Situation in Europa — setzte ich meinen Weg fort. Ungefähr in der Mitte zwischen dem Fundo meines Freundes und dem kleinen Orte Llifen kamen mir drei Reiter entgegen, die im Schritt ritten. Sie waren nach araukani-scher Manier gekleidet, mit großen Hüten und einem Umhang, „Poncho“ genannt. Da die Hunde unruhig wurden, entsicherte ich meinen Revolver und nahm ihn in die Hand. Das war um so notwendiger, als fast zu gleicher Zeit in der Nähe des Weges fünf Pumas sichtbar wurden. Ich ging in der Mitte des Weges den Reitern langsam entgegen. Das Gesicht des Mannes in der Mitte kam mir bekannt vor,- es war Martin B o r m a n n. Erst im letzten Moment trat ich an die Seite des nicht sehr breiten Urwaldweges und gab den Weg frei. Als ich nun sozusagen fast direkt vor den drei Reitern stand, zuckte der mittlere Reiter zusammen und gab in deutscher Sprache das Kommando, die Pferde in Trab zu setzen. Ich blieb stehen und hörte ganz deutlich, wie der mittlere Reiter zu seinen Begleitern sagte: „Das ist Heßlein.“

In diesem Augenblick verschwanden die drei Reiter in rasendem Trab in einer Staubwolke und bewegten sich in der Richtung der verhältnismäßig nahen Grenze Argentiniens. Daß es sich um Martin Bormann handelte, wurde mir kurze Zeit darauf bestätigt. Außerdem kann schon deshalb kein Zweifel sein, da ich Bormann oft im Deutschen Reichstag gesehen hatte.

Etwa gegen sechs Uhr nachmittags kam ich im Gasthof von Llifen an und verlangte die „Onze“, so nennt man hier die Kaffeezeit. Ich wurde in die Bar gebeten, wo mich ein Mann begrüßte und nach meinen Wünschen fragte. (Aus sehr naheliegenden Gründen ist es mir auch jetzt noch nicht möglich, in der Öffentlichkeit den Namen dieses Mannes zu nennen.) Der Mann trug ein Jackett wie ein Motorradfahrer und braune Nazihosen. Er erzählte mir, er sei in den zwanziger Jahren nach Chile ausgewandert. Dann frug er mich nach meiner Staatsangehörigkeit, worauf ich wahrheitsgemäß antwortete, ich stamme zwar aus Deutschland, besitze aber die chilenische Staatsangehörigkeit. Im weiteren Verlauf der Unterhaltung erklärte mir der Mann, niemals hätten die Nazis den Krieg verloren, wenn Hitler nicht von den Generalen verraten worden wäre. Die Juden hätten ja keinen Einfluß mehr gehabt, da sie vernichtet worden seien, aber wahrscheinlich seien deutsche Generale von den Alliierten bestochen worden.

Nun beugte ich mich zu dem Manne in der Bar vor und fragte ihn mit ganz leiser Stimme: „W as macht denn unser Freund Juan Gomez?“

Ein Strahlen ging über sein Gesicht, und er antwortete mir eben so leise:

„Ach, das wissen Sie, Sie sind ja sehr gut informiert. Gomez lebte in letzter Zeit ganz in der Nähe von hier und ist heute nachmittag mit Freunden über die argentinische Grenze gesitten.“ Und er fügte hinzu: „Leicht hätten Sie heute nachmittag ihm im Urwald begegnen können.“

Außerdem wurde der Mann nun sehr gesprächig, zumal die Bar völlig leer war. Er teilte mir mit, von seinem Ritt nach Argentinien werde Bormann wohl bald wieder nach Chile zurückkehren, und zwar diesmal in die Nähe des L a g o Todos los Santo s. Dann habe Juan Gomez, also Martin Bormann, die Absicht, sobald wie möglich wieder nach Europa zurückzukehren. Sicherlich würde er in Spanien Gelegenheit finden, sich zu verbergen, bis seine Stunde gekommen sei. Denn, so erklärte schließlich der Mann in der Bar, wenn der Konflikt mit Rußland komme, würde Martin Bormann wieder eine große Rolle spielen. Seine Freunde würden die Meldung aufrechterhalten, er sei in den ersten Maitagen 1945 auf der Flucht von der Reichskanzlei in der Nähe des Bahnhofs Friedrichstraße umgekommen. Dazu bemerkte der Mann wörtlich noch: „Wenn Sie ihm heute nachmittag begegnet wären, hätten Sie sich selbst davon überzeugen können, daß er noch lebt.“

Nun, Ich habe Martin Bormann gesehen. Nach diesen bestätigenden Erklärungen hielt ich es an der Zeit, mich zu verabschieden und fuhr in der Dunkelheit mit einem Camion durch den Urwald in das Haus meines Freundes zurück. — So geschehen in den letzten Februartagen 1948 ...

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