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Frohbotschaft im Rundfunk

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Die gegenwärtige Lage der Christenheit ist durch zwei Tatsachen im besonderen gekennzeichnet. Die eine umschreiben wir mit dem Ausdruck „ökumenisch“, das heißt die Konfessionen brechen aus ihren erstarrten Fronten auf und drängen aus ihrer jahrhundertelangen Zer-spaltung zu neuer Begegnung und Einigung. **■ Diese Bewegung kreuz und quer durch alle Kirchen verbindet sich — und das ist das andere Zeichen der Zeit — mit einem Aufbruch der Christenheit aus, dem Ghetto des privaten, liberalen “Und säkularisierten Christentums zu neuer Weltoffenheit und Weltverantwortung.

Evangelische Rundfunkprediger aus Österreich, die sich zur Aussprache über dieses modernste Mittel der Massenbeeinflussung zusammenfanden, bemühten sich, um die dem Radio eigene Form für die Verkündigung des Eyangeliums. Sie waren außerordentlich dankbar für den Beitrag, den der Vertrauensmann der evangelischen Kirche Württembergs im süddeutschen Rundfunk aus dem Schatz seiner reichen Erfahrungen leisten konnte. Er berichtete unter anderem, daß auf Grund von Rundfragen die kirchlichen Sendungen zu den am meisten gehörten zählen. Nicht weniger als 200.000 Apparate sind im Rahmen des süddeutschen Rundfunks auf kirchliche Sendungen eingestellt. Schon daraus ergibt sich die Notwendigkeit, geistliche Ansprachen und kurze Andachten volksmissionarisch zu gestalten. Der Rundfunkprediger darf nicht nur den Glaubensgenossen im Auge haben, sondern ebenso den Zeitgenossen (den „Randsiedler der Kirche“), es sei denn, daß es sich um die Übertragung ganzer Gottesdienste aus kirchlichen Räumen handelt. Aber nichts ist bedenklicher, als sich auf ein bestimmtes Schema festzulegen. Eine Hörerbefragung im süddeutschen Rundfunk, ob die Morgenfeiern volkmissionarisch oder im Blick auf die Kerngemeinde gestaltet werden sollen, ergab, daß sie zu gleichen Teilen für die eine und für die andere Form stimmten. Die volksmissionarische Form knüpft an irgendein Geschehen oder Erleben im Alltag usw. an und führt von da aus zur biblischen Wahrheit, während die andere Art der Gestaltung bewußt vom Bibelwort ausgeht und es in der Auseinandersetzung mit dem praktischen Leben entfaltet.

Bei der Textauswahl muß der Rundfunkprediger eine größere Freiheit als sonst haben. Selbstverständlich hat auch er sich an den Gang des Kirchenjahres und das gottesdienstliche Leben der Gemeinde zu halten, aber er soll Texte verwenden, die in den Predigten in der Kirche weniger gebraucht werden. Wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit werden schwierige und lange Bibeltexte zu meiden sein, weil der Weg zu den zentralen Wahrheiten der Bibel zu lang ist und die Vorbereitung für das Verständnis des Wesentlichen zu viel Zeit erfordert.

Hat es der Rundfunkprediger, wenn er vor dem Mikrophon steht, mit einer Gemeinde zu tun? Von Gemeinde kann man eigentlich nur reden, wenn Menschen sich persönlich und leibhaftig im Raum des Gotteshauses zu Lob und Dank, zum Hören des Wortes G ttes und zur Anbetung versammeln. Während der Kanzelprediger nicht nur das Ohr, sondern auch das Auge der Gemeinde in Anspruch nimmt, 6ein Wort durch die Gebärde unterstreichen kann, Hören und Schauen also in einem gewissen Zusammenklang stehen, hat der Rundfunkprediger nur das Ohr zur Verfügung und kann nur das Ohr des Hörers in Anspruch nehmen, das nach wenigen Augenblicken sich ihm allenfalls durch Abschaltung des Apparats entziehen kann. Das Gegenüber des Rundfunkpredigers ist der einzelne, das Du des andern. Hier offenbart sich in aller Tiefe das Wesen der Sprache und des Menschen als auf den Dialog hin geschaffen. Die dem Rundfunk arteigene Gestaltung des Wortes ist daher der dialogische Monolog, das heißt jenes Gespräch, das aus dem Dialog entwickelt wird, das die Fragen, Einwendungen, Anliegen usw. des Du aufnimmt und in der Form des seelsorgerlichen Zuspruchs beantwortet. Der Rundfunkprediger soll des „visionären“ Wortes mächtig sein, jenes Wortes, das vor dem geistigen Auge des Hörers Bilder, Gleichnisse, Symbole erstehen läßt, in denen die göttlichen Wahrheiten transparent werden, während es abwegig ist, dogmatische Begriffe dialektisch zu entwickeln und die letzten Fündlein der systematischen Theologie dem Hörer darzubieten. Wer das tut, versagt dem Hörer den seelsorgerlichen Zuspruch und gibt ihm Steine statt Brot. Daß das Kanzelpathos durchaus zu vermeiden ist, muß zu den Selbstverständlichkeiten des Rundfunkpredigers gehören, weil er sonst mit der Abschaltung der Apparate zu rechnen hat.

Daß die musikalische und chorische Mitarbeit eine wichtige und wesentliche Hilfe bei der Verkündigung darstellt, gehört auch zu den selbstverständlichen Erkentnissen und Erfahrungen der Rundfunkprediger. Natürlich muß die gebotene Musik, Orgelspiel usw. mehr sein als bloße Stimmungsmache, sie soll Mit-verkündigerin des Evangeliums seinl

Aus dem reichen Schatz der Musica sacra wird man ausgiebiger bei der Übertragung ganzer Gottesdienste schöpfen können, während geistliche Ansprachen und Andachten am Sachgemäßesten mit Chorälen aus dem Gesangbuch der Gemeinde umrahmt werden. In diesem Falle kommt nicht nur die geistliche Musik, sondern vor allem das Wort zu seiner vollen Geltung und Mitwirkung.

Alle Teilnehmer waren tief dankbar, daß sie zum erstenmal Gelegenheit hatten, sich über die Aufgaben, Grenzen und Möglichkeiten der Verkündigung des Evangeliums im Rundfunk auszusprechen und die große Verantwortung zu erkennen, die der Kirche durch dieses

Werk der Technik auferlegt ist. Denn es geht um eine sehr ernste Frage. Soll das technische Wunder des Rundfunks sich zum „Groß-Lärminstitut“ der Menschheit entwickeln, das mit dem Trommelfeuer seiner Schällwellen den Menschen betäubt, ihm Stille und Sammlung raubt und ihn zum kadavergehorsamen Schall plattenmenschen ohne eigenes Urteil und eigene Verantwortung herabwürdigt, oder soll es mithelfen, daß der Mensch „persona“ wird, nicht nur bedrängt vom Lärm der Welt, sondern durchtönt von der Stimme des Ewigen?

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