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In memoriam

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Seit dem Einmarsch der Roten Armee in Wien ist nun ein Jahr vergangen Die Menschen, die in diesem einen Jahr versuchten, aus den zurückgebliebenen Ruinen sich Heim und Existenz wieder aufzubauen, werden gerade in diesen Tager daran erinnert, wie viel sie jenen Männern verdanken, die ihr Leben für die Befreiung ihres Vaterlandes eingesetzt hatten.

Es war der Abend des 6. April 1945. Die Führer der Wiener Widerstandsbewegung hatten sich nach dem Verrat, der im Wehrkreiskommando 17 geschehen war, in einem Hause im 8. Bezirk versammelt. Sie gaben das Spiel nicht verloren, wollten noch einmal versuchen die abgerissenen Fäden zu knüpfen, um die gewaltsame Befreiung Wiens zu erreichen. Für die besonders gefährliche Aufgabe der Wiederaufnahme der Verbindungen stellte sich sofort der junge Dr. Walter Barth zur Verfügung. Er hatte schon seit Tagen im Operationsstab gearbeitetatte unermüdlich bei Tag und bei Nacht die verschiedenen Gruppen mit Befehlen und Nadirichten versorgt. Obwohl bereits abgerüstet, fuhr er in Leutnantsuniform mit falschen Papieren ausgerüstet auf einem Motorradr das der Kradstaffel de Verteidigungskommandanten von Wien zugeteilt war, von Bezirk zu Bezirk. Aus Walter Barth Händen hatten die Führer der Widerstandsbewegung die Armschleifen mit den österreichischen Farben Rot-weiß-rot empfangen. An diesem 6. April, dem schwarzen Tag der österreichischen Widerstandsbewegung, wurde er während der Durchführung des letzten Auftrages im Hausflur des Hauses Bösendorferstraße 4, durch zwei Kopfschüsse getötet.

Walter Barth ist der typische öster-reidier. In Graz am 16 März 1921 geboren, absolvierte er dort seine Sdiulstudien, um anschließend nach Wien an die Handelsakademie zu gehen Gleich vielen seiner Kameraden hatte er in seiner Schulzeit schwer mit den vielen auf ihn einstürmenden Ideen gerungen. Nach dem 13. März 1938, nach der Vergewaltigung seines Landes durch eine ihm vollkommen fremde Lebensart und Auffassung von Volk und Staat, galten alle seine Bestrebungen dem Kampfe für Österreich. Der Krieg

begann, im Herbst 1941 wurde er zum

Militärdienst eingezogen und 1943 als Leutnant der Kroatischen Ausbildungsbrigade Stockerau zugeteilt. Gerade auf diesem Boden konnte er den Kampf erfolgreich führen, indem er nicht nur den eigenen Landsleuten den Weg wies, sondern auch den Kroaten der Unterschied zwischen Nationalsozialismus und Österreich praktisch vor Augen führte. Eine Lagerbibliothek hatte er als geistiges Zentrum gegen preußischen Militärungeist aufgebaut. In Diskussionsabenden wurden kühne Themen trotz der Gefahr des Konzentrationslagers vorgetragen. Daß seine Arbeit nicht umsonst gewesen war, zeigte sich beim Kampf um Wien, wo die Kroatische Ausbildungsbrigade mit ihrem Kommandeur, dem Großteil der österreichischen Offiziere und Unteroffiziere, einem Bataillon und einer Batterie Kroaten sich auf die Seite der Freiheitskämpfer stellte Walter Barth selbst rüstete 1944 ab Obwohl er sich hauptsächlich der Organisation politischer und militärischer WidTstandsgruppen widmete, gelang es ihm doch daneben auf der Hochschule für Welthandel zum Doktor der Handelswisscnschahen zu promovieren. Jeder Mensch, der mit ihm in Berührung kam, fühlte sich zu ihm hingezogen, dem man mit seinen blauen, fröhlichen Augen und seinem auch in größter Gefahr immer lächelnden Mund, den Österreicher schon auf Entfernung ansah, ganz gleich ob er in Uniform oder Zivil gekleidet war. Sein Fanatismus für diesen jahrhundertealten christlich-abendländischen Begriff Österreich war das gerade Gegenteil von dem düsteren, heidnisch gebundenen, Tod und Verderben bringenden Gedankengut des Nationalsozialismus.

Knapp vor Erreichung des Zieles fällt er. Nach monatelangem Suchen wird seine Leiche durch Zufai! gefunden. Am 28. Juli 1945 geben ihm an einem herrlichen Sommertag seine Freunde das letzte Geleite. Über seinem Sarg aber sprach der von den Nationalsozialisten verfolgte und eingekerkerte Prälat Jakob Fried die Worte: „Du Walter Barth bist für uns ein Prophet, ein Prophet dafür, daß Menschen

das Recht haben an Ideale zu glauben. Du warst ein Prophet des Vacerlandes, unseres armen, schönen und unsterblichen Österreichs“.

Keine Straße ist noch nach ihm benannt und kein Platz trägt seinen Namen. Die Zeit ist noch zu viel mit Leid erfüllt, um auf seinem Grabstein mit goldenen Lettern das erfüllende Wort „Nenikamen“, „Wir haben gesiegt“, einzumeißeln. Aber

droben auf den im Sonnenlicht eines neuen Frühlings umfluteten Hängen des Kahlen-berges sollte in memoriam Walter Barths ein Gedenkstein aufgestellt werden, damit er gemeinsam mit dem Geiste Marco d'Avianos über die von ihm so sehr geliebte Stadt wache, um sie in kommenden Jahren von Ungeist und Barbarei zu bewahren.

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