6646851-1958_29_04.jpg
Digital In Arbeit

RADION J. MALINOWSKIJ / Zarensoldat, Fremdenlegionär, Marschall

Werbung
Werbung
Werbung

Das plötzliche Auftauchen des sowjetischen Verteidigungsministers Marschall Malinowskij in Pankow während des Chruschtschow-Besuchs führte zu zahlreichen Spekulationen. Der seit dem Ende des zweiten Krieges meist im Hintergrund stehende Marschall ist damit wieder in den Blickpunkt gerückt. Er hat eine der interessantesten Karrieren unter den sowjetischen Militärs hinter sich.

Sie begann, als er sich, noch nicht dienstpflichtig, im Sommer 1914, sechzehnjährig„ der 4. Odessaer Schützenbrigade anschloß, die gerade an die Front abging, wo sie dann gleich in die schweren Kämpfe mit der k. u. k. Armee verwickelt wurde. Diese Brigade war eine der besten Truppenteile des Zarenheeres gewesen, von Deutschen und Oesterreichern gleich geachtet. Ihr Kommandant war der junge Generalmajor Anton 1.. Denikin. Er sollte später gegen die Bolschewisten kämpfen und ihnen unterliegen. Die Brigade wird bald zur 4. Division ernannt, die sich selbst rühmend die „Eiserne“ nennt. Der mittlerweile Unteroffizier gewordene Malinowskij wird 1916 zur 2. Sonderbrigade versetzt, die, aus den besten russischen Truppen zusammengesetzt, nach Frankreich transferiert wird. Offiziere und Unteroffiziere sind sorgsam ausgewählt, die ersteren meist Ritter des Georgkreuzes. Die Ereignisse des Jahres 1917 haben auch auf die sich an der Westfront tapfer schlagende Truppe ihre logische Fernwirkung: Soldatenräte und Insubordination. Die antibolschewistisch Gesinnten treten in die neugebildete „Russische Legion“ ein, die 1918 der Fremdenlegion eingegliedert wird, diejenigen, die in den Sowjets ihre neuen Herren anerkennen, werden über Saloniki nach Odessa gebracht. Malinowskij befindet sich unter den ersteren, so steht es in seiner offiziellen, in der Sowjetunion erschienenen Biographie.

Nun wird es etwas dunkel um den Korporal. 1922 taucht er in China auf, wo gerade Borodin, der Chef der sowjetischen Mission in Kanton, die Kader der Kuomitangarmee ausbildet. Die Große

Sowjetische Enzyklopädie aber beginnt mit Mali-uowskijs Dienstbeschreibung erst 1930, als der eifrige, aber immer finster blickende schwarzhaarige Ukrainer die Frunse-Militärakademie besucht. Sein Aufstieg vollzieht sich rasch, denn die große Säuberung der Jahre 1937/38 hat die Armee der fähigsten Köpfe beraubt. 1940 ist er Divisio-när, 1941 Korpskommandant, genau so schnell wie A. A. Wlassow, der später auf die Deutschen setzt und als Verräter hingerichtet wird. Militärisch bekannt wird Malinowskij. als er mit seinem Korps — eines der wenigen, die die deutsche Umklammerung durchbrechen können —, sich von Bessarabien absetzend, Odessa, seine Heimatstadt, deckt. Seine Operationen im Raum von Rostow, Dezember 1942 bis Jänner 1943, bringen ihm weiteren Ruhm, er bringt den Entsatz von Stalingrad zum Scheitern. Der russische Gegenschlag führt dann die von ihm befehligten Truppen 1945 bis über Wien hinaus. Der deutsche Generaloberst Halder erklärt später, daß Malinowskijs militärische Qualitäten denen der deutschen Führung nicht nachstünden. Das heißt viel, da sein Gegner der fähigste deutsthe Stratege Feldmarschall von Manstein ist. 1944 wurde Malinowsky Marschall. Er ist der erste, der sich gegen den stalinistischen Persönlichkeitskult wendet, freilich erst nachdem der Georgier die Augen geschlossen hat. Die Gründe für die Niederlagen in den ersten Monaten nach dem 22, Juni 1941 seien ganz klar, meint er. „Wir gingen zurück, weil wir den Feind nicht aufhalten konnten “ Erst der Haß gegen die Invasoren und, was noch wichtiger sei, die Ausschaltung des Parteieinflusses auf die Armee, die „Festigung des Geistes der Armee“, haben schließlich den Sieg ermöglicht. Das war für die Sowjetmenschen eine völlig neue Lesart. Allerdings hat Maliuowskii 1957 in der Zeitschrift „Militär-Wissen“ die gleiche Partei, die er solch schwerer Fehler zeihte, mit überschwenglichem Lob bedacht. Welches sind die wahren Ansichten des Radion Jakowlewitsch Malinowskij?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung