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Glas als künstlerischer Werkstoff

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Vielleicht mag es seltsam erscheinen, daß bisher noch nicht wirklich erfolgreiche Versuche unternommen wurden, Glas in größerem Maße als Werkstoff für die plastische Kunst heranzuziehen. Gerade dieses Material, das durchsichtig und durchscheinend und zweifellos auch' wetterbeständig erzeugt werden kann, müßte sich doch ganz hervorragend zur künstlerischen Gestaltung eignen.

Technische Schwierigkeiten haben einerseits diese Auswertung immer wieder verhindert, andererseits sind alle Versuche bisher der Eigenart dieses Materials nicht gerecht geworden. Man kann nicht einfach ein in Marmor, Bronze oder Holz geschaffenes Werk in Glas gießen oder schleifen. Dieser bei kleinen Objekten längst bewährte edle Werkstoff verlangt eine völlig verschiedene Behandlungsart; der Künstler, der aus Glas Plastiken formen will, muß sich in die Wesenheit dieses Materials einfühlen können, wobei natürlich Voraussetzimg bleibt, daß er die Technik der Glasbehandlung voll und ganz beherrscht. Glas wurde bisher nur im Kunsthandwerk als Werkstoff verwendet. Hier konnte man allerdings in der Glasbläserei wie im Mosaik und durch Kunstschliff kleine Kunstwerke von fast überirdischer Schönheit erzeugen. Man denke nur an die hauchzarten Gläser, an den wundervollen Schliff der Altwiener Glaswaren, an den glitzernden Traum eines Lobmayerschen Lusters oder eines geätzten Trinkbechers.

Vom Kunsthandwerk auszugehen und dessen Erfahrungen in der Materialbearbeitung auf die hohe Kunst zu übertragen, stellte sich der bekannte Wiener Bildhauer Mario Petrucci zur Aufgabe, dessen Schaffen sich seit jeher durch Eigenart und eine phantasievolle Note ausgezeichnet hatte.Kriegsdienstverpflichtungen führten ihn auf den Gedanken, das Glas als Werkstoff für Großplastiken heranzuziehen. Nach manchen Fehlschlägen und Enttäuschungen fand er endlich den Weg. Die Vollplastik, die Statuette aus durchsichtigen Glas herzustellen, erwies sich als Fehlgriff, obwohl es Petrucci verstand, das Glas materialgerecht zu behandeln, durch Flächenwirkungen, auf denen ja die Schönheit dieses Stoffes beruht, interessante Effekte zu erzielen. Aber Petrucci sagte sich bald, daß für die Vollplastik Bronze oder Stein geeignetere Werkstoffe seien als Glas, wenn man nicht dessen Besonderheit besonders stark und eigenartig zur Geltung bringen könnte. Trotzdem ließ ihn der Gedanke der Vollplastik nicht los, denn seiner Phantasie sagte dieses Material infolge seiner Durdisichtigkeit, der spiegelnden Wirkung der Flächen und des feurigen Glanzes des sich in Kanten und Facetten brechenden Lichtes in hervorragendem Maße zu, er verbohrte sich in den Gedanken, Plastiken zu schaffen, die schon infolge ihrer Materialeigenart der Erdenschwere entrückt zu sein schienen. So färbte er zuerst Plastiken ein, in Bronzetöne oder in das Rubinrot alter Gläser. Bei Tage wirkten diese Statuetten wie Plastiken aus Stein oder Bronze, bei Nacht aber, von unten vom Standfuß her erleuchtet, erhoben sie sich in unirdischer Schönheit aus dem Dunkel, gleichsam von innen her- leuchtend, schwerelos in der Finsternis schwebend.

Aber auch dieser Fortschritt konnte Petrucci nicht genügen, denn auch das Erreichte schien noch nicht die letzte Möglichkeit der Glasbearbeitung zu erschöpfen. Seine Phantasie führte ihn weiter. Die für das Glas entsprechendste Form ist die kubische, ein durchsichtiger Glaswürfel an und für sich etwas Edles. Petrucci ging nun daran, seine Plastiken in Glaskuben und Stelen gewissermaßen einzufangen. Die Lösung seiner Bemühungen brachte ihm der Hohlschliff des Glases. In die glatten Glasflächen wurden die plastischen Figuren hohl eingeschliffen und geätzt und scheinen nunmehr im Kristallglas wie verzaubert zu ruhen. Verschiedene kleine Kunstwerke dieser Art in Petruccis Studio in der Gußhausstraße entzücken durch die traumhafte Schönheit ihrer Gestaltung. Für das Kunsthandwerk im besten Sinne des Wortes erschließt sich hier ein Gebiet, das Wiener Geschmack, künstlerischer Phantasie und tüchtigem handwerklichen Können den weitesten Spielraum gibt. Dosen, entzückende Bonbonnieren, Schmuckbehälter usf. begeistern durch ihre moderne Form und materialgerechte Ausführung.

Um den Schritt von diesen Kleinkunstwerken zur Großplastik gehen zu können, mußte Petrucci die Frage der Materialbearbeitung lösen. Und er hat sie gelöst, durch die Zerlegung der Großplastik in Kuben und durch ein Verfahren zur Kühlmöglichkeit so großer Glaskörper. Nunmehr besteht die technische Möglichkeit, auch etwa sieben Meter hohe Plastiken aus Glas zu gießen und zu schleifen. Innerhalb der materialgerecht behandelten Glaskuben befindet sich die Plastik in Hohlschliff, das heißt, eigentlich ist im Glase nur die Oberfläche der Figuren vorhanden, während diese selbst einen Hohlraum formen. Aber durch Ein-färbung und Ätzung der Oberflächen entstehen vor dem Beschauer Plastiken von einzigartiger Schönheit. Ein „Heiliges Grab“ in dieser Gestaltung müßte eindrucksvoll sein. Petruccis Traum geht dahin, für den großen Teich des Wiener Stadtparkes einen Märchenbrunnen zu schaffen, der, sich bei Tag und Nacht im Wasser spiegelnd, in seinen Glasprismen die Gestalten der Kindermärchen zum Leben erwecken sollte. Vielleicht geht dieser Traum einmal in Erfüllung!

Petrucci, der auch sonst immer aus einem reichen Borne von Phantasie schöpfend tätig ist, hat aus Gold einen Ring gebildet, den er als Mithelfer für den Wiederaufbau des Stephansdomes geben will. Ein Goldreif endet in zwei Greifern mit gotischen Motiven, die eine Goldplatte tragen, auf der im Hochrelief der Dom zu sehen ist. Diese Platte ist um 180 Grad drehbar, so daß auf der Gegenseite ein Wappcnsiegel eingeschnitten werden kann. Der Ring ist ein ausgesprochenes Vitrinenstück. Es ist ein echt künstlerischer Dank, den Mario Petrucci der Stadt und ihrem herrlichen Dome abstatten möchte.

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