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BEI DEN BÜRGERGARDEN und den Tiroler Schützenkarnpanien stehen die alten einschüssigen Infanteriegewehre System Werndl noch immer hoch im Kurs. Man muß sich wundern, daß nach einem runden, wechselvoUen Jahrhundert doch noch so viele Stücke vorhanden sind. Im ersten Weltkrieg waren sie ausrangiert, nur die Landstürmer hatten sie umgehängt, wenn sie Bahnhöfe und Gefangenenlager bewachten. Und bis heute rücken die Feier-tagssoldaten mit diesen Relikten aus. Die Fronleichnamssalven der großkalibrigen Gewehre — elf Müli-meter — klangen dem früheren Innenminister Hans Gzettel schlecht in den Ohren, er witterte in den verwehenden Rauchwolken einen Anhauch von Vierunddreißiger-Februarluft. In Innsbruck vermochte man den Mißtrauischen schließlich zu überzeugen, daß altes Eisen und Platzpatronen keine Bedrohung der Republik und der Demokratie bilden.

Zwischen „1866“ und einer für 1968 vonläufig nur projektierten Ausstellung („Wahrscheinlich der Zeitraum 1916 bis 1918“) behandelt das Heeres-gesdiichtliche Museum Wien in diesem Jahr in seiner Sonderschau „Von der Luntenmuskete zum Sturmgewehr“ die Entwicklung der Handfeuerwaffen des österreichischen Heeres.

Übersichtlich im Raum angeordnet reihen sich auf Metallständern die Gewehre aus vier Jahrhunderten, Museumsdirektor Dr. Johann Christoph AUmayer-Beck versieht die Ausstellung mit dem Epitheton „bescheiden“ und zieht Vergleiche zu den Beständen der Sammlung vor den Plünderungstagen von anno 1945. Dennoch ist das Gebotene als neue gründliche Erfassung des militärhistorischen Themas musterhaft. Musterhaft auch die Vorarbeit der hauseigenen Waffenmeister. Der Katalog wurde schon in den ersten Tagen nach der Eröffnung in seiner Art ein Bestseller bei fachlich interessierten Kreisen des In- und-Auslandes. Kustos Dr. Erich Gabriel hat damit Grundlagen für eine größere waffenkundliche Dokumentation geschaffen („Bitte, das ist noch Zukunftsmusik!“), zumal das letzte Standard- und Nachschlagewerk „Monographie der k. u. k. österreichisch-ungarischen Blanken und Handfeuerwaffen“ von Anton Dol-leczek mit dem Jahr 1896 abschließt. Ein weiterer Pluspunkt der Schau: das graphisch ausgewogene Plakat, eine Gemeinschaftsproduktion des Museums.

Besondere Aufmerksamkeit als geschichtliche Kuriosa verdienen jene Gewehre, die experimentell die spätere Entwicklung vorwegnehmen. Wer weiß denn, daß bereits 1770 im österreichischen Heer ein Hinterlader nach der Konstruktion des Welschtirolers Giuseppe Crespi eingeführt wurde? Dieser „Dragonerkarabiner“ hat einen röhrenförmigen aufklappbaren Verschluß, doch der bewährte sich nicht, aus den Fugen drangen Explosionsgase, Hautverbrennungen des Schützen waren keine Seltenheit. Nach neun Jahren verschwand das Crespi-Gewehr im Zeughaus, die Soldaten griffen wieder zum Ladestock. Mehr Erfolg hatte Crespis Zeitgenosse und Landsmann Bartholomäus Giran-doni, von ihm stammt das erste

Repetiergewehrsystem, nach dem Prinzip des Luitdrucks, die Windbüchse von Anno 1780, mit der man in der Minute etwa 40 Schüsse abgeben konnte. Während der napoleonischen Kriege bestand sogar ein eigenes Windbüchsenkorps in Regimentsstärke, allerdings wurde es 1815 aufgelöst. Man glaubte es durch die neuen Taktiken überholt und verließ sich auf die langen Stichbajonette.

REMINISZENZEN AN DIE ALTE MILITÄRGRENZE ruft der Doppelstutzen Modell 1768 wach. Mit dieser Waffe, bei der, wie bei einer Bockflinte, zwei Läufe übereinander angeordnet sind, waren die Scharfschützen ausgerüstet, die mit den Türken plänkelten. Als Ergänzung des Doppelstutzens diente die Hakenlanze, um die schwere Büchse aufstützen zu können.

Sie haben ihre Schicksale, die Waffen, und manche sind auch Symbole des allgemeinen Schicksals, wie jener Hinterlader System Wänzel M 1867. Mit seinen „perfekten Vorderladern“ hatte Österreich den Krieg von 1866 verloren. Ein Jahr zu spät kam die Erkenntnis, daß die Zeiten des Ladestocks endgültig vorbei waren. Einsichtige, wie der Infanterieoffizier und spätere große Naturschützer Josef Schöffel, hatten schon lange gegen die verfehlte Ausbildung gewettert und das auf den Kasernenhöfen geübte Bajonettfechten als sinnlose „Kriegstänze“ verworfen. Nun stach der Wiener Büchsenmacher Franz Wänzel mit seiner Konstruktion 32 andere Bewerber aus und ging in die Geschichte der Handfeuerwaffe ein.

SINNBILDLICH FÜR EINE GANZE EPOCHE österreichischen Soldatentums beschließen die Mann-licher-Gewehre den dargestellten historischen Ablauf, sie tragen das Signum erster Weltkrieg, Erste Republik und Ständestaat. Noch vor einigen Jahren sah man Gendarmerie und Zollwache mit den Mann-licher-Stutzen defilieren. Nun sind auch sie museumsreif geworden.

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