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Allerseelenpremieren im Frühsommer

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Die Uraufführung eines österreichischen Autors! Grund genug, die Aufmerksamkeit zu erregen: die Josefstadt bringt „F 1 i e g, kleiner Vogel, flieg!“ von Maria G ä r t n e r. Die Verfasserin hat jahrelang in Amerika gelebt und von dort ein ernstes, großes Thema mitgebracht. Tausende von Mädchen und jungen Frauen gingen nach diesem letzten Krieg nach Übersee, folgten ihrem Manne, .den sie als Soldaten einer Befreiungsarmee im alten Europa kennen- gelėrnt hatten. Was ist ihr Schicksal? Aus einem Meer von Enttäuschungen, von harten Kämpfen um eine Selbstbehauptung in der „Neuen Welt“, greift Frau Gärtner ein Exempel heraus: ein junges französisches Mädchen, ein halbes Kind, hat den erstbesten Amerikaner, der ihr über den Weg lief, geheiratet. Und vergeht nun, unverstanden, wie Nora, vor Sehnsucht, weil sie dessen Hemd- ärmeligkeit abstößt. Verfällt, für eine kurze Stunde einem jungen Ganoven, geht in den Tod. — Eine Fülle möglicher großer Themen! manche werden angetippt, mit einer schnellen Fingerspitze. Dann versinkt das Stück in Phrasen. — Sehr bemüht: Aglaja Schmid, Heinz Grohmann, Erwin Heintel.

In den Kämmerspielen erntet die Josefstadt einen Publikumserfolg mit dem Lustspiel „Meine Freunde, deine Freunde“ von Pierre Barilet und Jean P. Gredy, aus Paris, wie sich versteht. Susanne Almassy, als kapriziös-charmant-unausstehliche Dame, kämpft, unterstützt vom Ensemble, das Sfüik über die Zeit zu retten: wobei sie, wie gesagt, vom lachfrohen Publikum bestens unterstützt wird.

Sommerpremiore im A k a d e m i e t h e a- t e r: „ A n a t o 1“ von Arthur Schnitzler. Zauberhaft schön der Prolog Hugo von Hofmannsthals, gesprochen von Albin Sköda. „Böser Dinge hübsche Formel“ wird hier elegisch gedeutet als ein Abgesang des spätbarocken Wien. Laterne magica, Spinett und Spinnweben, halbe echte und falsche Töne: ein Scheinkosmos aus „Gefühl“, „Gedanken“, der eine Devise Goethes ab absurdum führt. „Das ewig Weibliche zieht uns hinan“: hier, im „Reigen“ um Anatol, zieht es hinab; nicht in eine Hölle — Höllen gibt es in dieser Halb-Welt nicht —, wohl aber in ein schaumigschummeriges Brackwasser, wie es der Teich im Stadtpark im Frühsommer bereits bildet. Blasen über Makart-Bukett , die weggeworfen wurden. Uber all diesen Damen und Mädchen ruht eine Allerseelenstimmung. Schnitzlers Ideologie vom „süßen Mädel“ ist vergilbt… Es versteht sich, daß dieses Schaumspiel, soll es heute noch wirken, erstrangige Schauspielkunst fordert. Diese bieten dar: Käthe Gold, Alma Seidler, Judith Holzmeister, Albin Skoda und Joseph Meinrad. Hans Holt, der soeben erst in „Johnny Belinda“ in der Josefstadt eine Probe seiner großen Begabung gegeben hat, ist als Anatol fehl am Platze, Das typische Beispiel für die Überforderung eines Schauspielers, der sich soeben in einėr Reifekrise befindet. Dieser harte, laute, lineare Anatol besitzt nichts von jener Person Schnitzlers, die ganz Atmosphäre, „Stimmung“, Täuschung und Selbstbetrug ist.

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