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Briefe an den Herausgeber der „furche“

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Bittere Reportage

Geehrter Herr Herausgebert

öfter schon hat die Öffentlichkeit Gelegenheit gehabt, sich mit dem „Wienerberg“ zu befassen jenem Stadtteil am Rande von Wien in dem die größten mittel- ., europäischen Ziegelwerke liegen: damals, als Victor Adler seine Stimme erhob, und. später noch, bei, verschiedenen Anlässen. Immer wieder stand das Schicksal der Ziegelarbeiter im Mittelpunkt bewegter Diskussionen. Ihr materieller und geistiger Aufstieg war ein Anliegen vielet Kreise.

Auch heu£ ist das Gespräch um diese Welt und diese Menschen wieder wachgeworden. Ein Artikel, vor wenigen Tagen in einer Wiener Zeitung unter dem Titel „Bitterer Ziegel“ veröffentlicht, kündigte einen Film an, mit dem Österreich der Welt ein Gegenstück zum „Bitteren Reis“ zu schenken gedenkt. Wir kennen den Film noch nicht. Aber dem Artikel nach hat er sich die Welt des Ziegelwerks zur Kulisse und die Menschen, die dort wohnen, zu Akteuren gewählt.

Erlauben Sie mir, daß ich gegen die Art, wie der Artikel dieses Gespräch wieder in Gang gebracht hat entschieden protestiere. Wenn behauptet wird, der Inhalt eines Lebens am Wienerberg bestehe im Bestech von Wirtshaus, Kino und Tanz, so darf ich im Namen aller derer, die damit beleidigt, worden sind, sagen, daß noch erheblich viel andere Dinge am Wienerberg geschehen Die Jugend zum Beispiel, eben jene Jugend, von der heute so vielfach behauptet wird, ihre Schlurftypen seien ein hoffnungsloser Fall, eben diese Jugend hat sich am Wienerberg zu einer Zeit, da noch niemand an sie glaubte, von ihrem Wochenverdienst Hunderte von Schillingen erspart, um damit aus eigener Kraft ein Heim ausstatten zu können, das ihr heute die Entfaltungsmöglichkeit einer sauberen und tadellosen Geselligkeit bietet. Wie viele aus den Reihen dieser „hoffnungslosen Jugend“ sind niclit dabei gewesen, Möbel zu tischlern, Vorhänge zu nähen und die Blumen auf den Bücherregalen zu0 pflegen. Die ersten Diskussionen wurden veranstaltet. Diskussionen unter „Schlurfs“? Dann ging man weiter. Filme wurden ins Heim geholt und wertvolle Menschen, die aus ihrem Leben erzählten. Eines Tages mietete man einen Autobus, sparte sich etwas Geld und fuhr nach Venedig. Die Welt begann größer zu werden

Ist das eine Jugend, die „im Jahr kaum einmal über die Welt des Ziegelschutts hinauskommt“ und die ihr „Elend nicht mehr bemerkt, weil sie es gewohnt ist?“

Wir fühlen uns beleidigt von einer so bedenkenlosen Art der Berichterstattung. Es ist uns nicht bekannt, ob sie aus Böswilligkeit zustande gekommen ist oder nur aus Gedankenlosigkeit Aber wir wehren uns dagegen. Gerhardt K a p n e r, Wien

Auf die Straße gesetzt

Sehr geehrter Herr Herausgeber'

Als ich vor einiger Zeit in den Tageszeitungen von der Absicht las, In sämtlichen Räumen der Bundestheater das Rauchen zu verbieten, dachte ich: es wird nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird es werden einsichtige Fachleute einen Ausweg und für die Raucher ein Plätzchen finden! Nun war ich vorige Woche im Theater an der Wien, im Akademietheater und im Ronuche* — und konnte feststellen, daß tatsächlich die Raucher auf die Straße verwiesen werden. Der Grund für diese Maßnahme wurde ja seinerzeit bekanntgegeben: Feuergefahr. Aber ich finde ihn keineswegs überzeugend, denn meines Wissens ist aus der gesamten Theatergeschichte der letzten 30 bis 40 Jahre kein Fall bekanntgeworden, daß durch eine im Foyer weggeworfene Zigarette ein Theaterbrand entstanden wäre. Und wie macht man das in anderen Theatern andern Städten, andern Ländern? Man stellt, nicht an versteckten Stellen, eine genügende Anzahl größerer bis zur Hälfte mit Wassel gefüllter Aschenbeüier in dem hiefür vorgesehenen Raum auf, bringt entsprechende Hinweise an und läßt während der Rauchpause den Ruum von einem Auf Sichtsbeamten (es braucht nicht unbedingt der Feuerwehrmann in Uniform zu sein!) kontrollieren Wenn man nach Schluß der Pause, noch einmal einen Rundgang macht so scheint mir jede Gefahr ausgeschlossen. Dagegen glaube ich, daß viel mehr Gefahr dann besteht wenn man im Winter — und die neue Spielzeit steht vor der Tür — die Raucher auf die Straße verweist und dann der eine oder andere an verborgener Stelle im Innern des Theaters doch raucht. S o entstehen nämlich Brände — und nicht beim Rauchen im Foyer das in allen drei genannten Theatern einen Fußboden aus Steinfliesen hat —

Für mich ist diese Verfügung ein Zeichen der Bequemlichkeit und Gedankenlosigkeit. Man denkt an die Raucher nur beim Besteuern der Tabakwaren, ja sogar als Helfer in der Theaterkrise. Und dann verärgert man sie als Theater besuch er? Das scheint mir nicht ganz logt'.ch -u sein!

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