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Das himmlische Osterreich

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Hast du sehr Heimweh heute?

Ja.“

Und willst doch Österreich nie mehr sehn?

„Das irdische nicht. Aber das himmlische!“

Ach, werden dort Die Alpen so mit Wäldern rauschen?

„Grüner,

Als über Finstermünz und Franzensfeste, Und lichter leuchten ihre Gipfelhalden Als je das Karls-Eisfeld und die Pasterze Weißbläulich stürzen Wildwasser von Sternen. Wein fließt mit in der Donau, und im Marchfeld Ernten sie Hostien. Wie geweihte Kerzen Brennt Herz um Herz ab auf dem wundertätigen Opferstock in Sankt Stephan. Oh, wer dies Weiß und nicht weint, den nimmt kein Engelsschiff In Melk an Bord nach Wien. Vor dem verstummt Sankt Florians Orgel, und wenn Bruckner selber Die Vox coelestis zöge. Der nicht schluchzend Einmündet in die Heimat, wie die junge Graugrüne Traun träuft in den Toplitzsee: Wer salbte dem die Füße für die Wandrung Zu jeffetcSrethenbifgen, Wo dWEMMH ymfetanrawutM ist

Aber wirst du dort Die Blumen und die Bienen schauen, riechen Das Harz der Fichten, einziehn wehen Hauch Des Heues, hören, wie die Wasser wallen Von überallher nach Krimml?

„Nicht! - Nie wieder!“ Nein! Immer, immer wieder! Gleich den Quellen Im goldigen Kalkgrün, badend Erdbeerwurzeln Und heimlichen Thymian wie auf dem geliebten Weg nach Sankt Leonhard, wo früh im Vorherbst Die langen Schatten lagern überm Grashang Von Waldrandbuchen oder wilden Kirschen. „Vergessen laß mich's!“

Und die Lichtung, Lieber. Die unsagbare, zaubergrün, buntblumig, Unfern der hölzernen Brücke —

„Welches Flusses?“ Der Salzach, kurz vor Salzburg. Wie nur hieß der Urtümliche Weiler?

„Sankt Jakob am Thum.“

Felix Braun, der bekannte Lyriker, Dramatiker und Essayist, begeht am 4. November 1960 seinen 75. Geburlstag. Felix Braun studierte (u. a. bei Dvorak) an der Universität Wien Kunstgeschichte, Archäologie und Germanistik. Viele Jahre seines Lebens verbrachte Felix Braun als akademischer Lehrer. Zunächst war er an verschiedenen Wiener Schulen tätig, dann, von 1928 bis 1937, Professor für deutschsprachige Literatur an der Universität in Palermo, die nächsten zehn Jahre an der Universität in Padua. Auch während seiner englischen Emigration von 1939 bis 1951 fand Felix Braun an Hochschulen und Volkshochschulkursen ein reiches Betätigungsfeld. Er war gewifj ein guter Lehrer und ein liebevoller Vermittler der Schönheiten europäischer Kunst und Literatur an junge Menschen. Aber sein eigentliches Anliegen war doch, sein ganzes Leben lang, das eigene Schaffen. So geschätzt Felix Braun auch als Essayist und als Mitarbeiter angesehener literarischer Zeitschriften, als Vortragender im Rundfunk und als Repräsentant der österreichischen Literatur bei internationalen Veranstaltungen ist, so hat er sein Leben doch als Dichter gelebt, der von dieser seiner dichterischen Existenz in dem Bekenntnisbuch „Das Licht der Welt“ Zeugnis abgelegt hat. Eine lange Reihe von Werktiteln mühte nun folgen, von den frühen Gedichten von 1909 über die zahlreichen Dramen, Novellen und Essaybände bis zu der Summa seines lyrischen Werks „Viola d'amore“ von 1953. Sein Vaterland Österreich und seine Geburtsstadt Wien haben dem angesehenen Dichter auch eine Reihe wohlverdienter Anerkennungen zum äuheren Zeichen der Dankbarkeit und Wertschätzung zuteil werden lassen: 1947 den Würdigungspreis für Dichtkunst der Stadt Wien, 1951 den Groften österreichischen Staatspreis, 1955 di-s Adalbert-Stifter-Medaille und den Ehrenring der Stadt Wien. Felix Braun, der 1885 geboren wurde, steht zwischen der Generation der grofjen österreichischen Dichter als ein Hüfer bester österreichischer dichterischer Tradition, und zwischen den Jungen, als deren verständnisvoller Mentor und Berater er immer wieder hervorIritt. Als einer jener wichtigen Mittler zwischen Vergangenheit und Gegenwart, deren unsere Zeit so sehr bedarf.

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