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DIE BITTE

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Der Komiker Iwan Worobjew-Sokolow steck; e die Hände in seine Taschen der weiten Hose und starrte zum Fenster hinaus auf die Straße.

„Ach, wie langweilig", seufzte die Primadonna Maria Alexe- jewna. „Warum schweigen Sie denn, Iwan Akimitsch? Wenn Sie schon einmal hergekommen sind, mich in meiner Probenarbeit gestört haben, erzählen Sie mir wenigstens etwas. Zum Beispiel von Ihren Mißgönnern, die Sie tüchtig auspfeifen, wenn Sie zu großen Erfolg haben, oder von den süßen Mädeln, die zu weinen beginnen, wenn Sie als Liebhaber jammern. Außerdem sieht man es Ihnen an der Nasenspitze an, daß Sie etwas auf dem Herzen haben. Also, los, mein Freund!“

„Ja, beim Heiligen, Sie haben recht, Verehrteste! Ich möchte Ihnen schon etwas sagen, ich muß es Ihnen sogar sagen. Aber wie bringe ich es fertig bei einer Dame? Sagt man es Ihnen ganz einfach, ohne Überlegung, so, wie ein Muschik es tut, dann würden Sie mich verhöhnen. Am Ende schmeißen Sie mich sogar aus dem Zimmer. Weiß der Teufel, wessen die Frauen heutzutage fähig sind. Darum ist es besser, ich sage nichts. Verworfen soll ich sein, wenn ich es tue!“

„Oho, Brüderchen! Nun legen Sie schon los, bin ganz Ohr!“ „Verworfen soll ich sein …“

Was will er eigentlich? überlegte die Sängerin. Er ist so furchtbar aufgeregt, macht so eigentümliche Anspielungen, scharrt mit den Füßen, wühlt in seinem Haar… Lieber Himmel; ich hab’s! Er ist verliebt… in mich natürlich! Ein Jammer ist es mit diesen Kerlen! Gestern hatte sich mir die Erste Geige erklärt, heute seufzte den ganzen Tag über der Regisseur. Sie sind alle toll geworden aus lauter Langeweile. Alle wollen sic heiraten. Aber dieser da … nicht übel, der ■ einzige vielleicht, den man ernst nehmen könnte. Und Manieren hat er auch, nicht so. wie irgendeiner… Wie er sich geniert!

Iwan Akimitsch kam zur Kommode, sah sich die Photographien an. nahm die Puderdose in die Hand, um sie einer genauen Prüfung zu unterziehen, runzelte dabei die Stirn und seufzte demonstrativ. . . L ‘ .

„Er ist verhebt — und, wie triumphiert die Diva, „Der

ÄrmsteMÄber, kanMSfivihp .picht. UncJ, eine ,preupn zu werden, was fällt ihm ein! Aber er hat einen Namen, schön ist er wirklich nicht, aber ein gutes Einkommen, das stimmt…“

Iwan Akimitsch schritt auf und ab im Zimmer, kam zu einem

Sessel und ließ sich schwer niederfallen. „Ja, so ist es! Ich würde es Ihnen schon sagen, aber ich fürchte mich … Sagt man es so geradeaus, so richtig auf russisch, würden Sie empört sein. Ein

Unhöflicher, ein Anmaßender, ein Muschik, würde es heißen.

Ja, so ist es! Wir kennen euch Frauen. Es ist besser, man schweigt!“

Übrigens sind seine Augen nicht häßlich, dachte die Primadonna. Das Beste an ihm ist allerdings sein Charakter. Und ich bin auch nicht mehr die Jüngste. Schließlich muß man einmal irgendwo landen! Er ist klug, trotz seiner Sucht nach Alkohol. Schönheit verwelkt bald, aber Güte und Klugheit bleiben! Man könnte ihn also heiraten, überlegte sie. Wie er mich anguckt! Sein Blick brennt geradezu auf meinem Gesicht. Zu dumm, daß der Mensch so schüchtern ist. Ein anderer hätte es schon längst heraus…

Der Komiker seufzte schwer, dann hüstelte er verhalten. Man sah, daß ihn sein Schweigen quälte. Auf seinem Gesicht spiegelte sich unerträgliches Leiden. Er tat jetzt Maria Alexejewna aufrichtig leid.

„Ich kann nicht mehr, meine Liebe“, hörte sie seine schnarrende Stimme. „Ich bin ein Feigling, ein Tyrann! Ich kann mich nicht beherrschen. Schlagen Sie mich tot, Liebste, schimpfen Sie mich einen Lumpen, jagen Sie mich aus Ihrem Hause, ich muß es Ihnen doch Sagen, Maria Alexejewna!“

„Schießen Sie endlich los“, rief die Heldin mit ungeduldiger Stimme, von Erwartung und Spannung gemartert.

„Mütterchen, Täubchen, Süße … Verzeihen Sie mir, Gnädigste. Ich küsse Ihr Händchen, ich knie vor Ihren kleinen Füßen“, sagte er, während Tränen der Rührung in seine Augen traten.

Die Diva starrte ihn an. legte die Hand auf ihr Flerz und zählte die Schläge. Er sieht sogar blendend aus… Was für Augen, das Haar! Ein idealer Ehemann… Einen besseren finde ich nie …

„Mütterchen, Teuere …"

„Sprechen Sie schon, Sie Ekel i Was ist denn los, mein Lieber, mein Teuerer … !“

Er stand vor ihr und dehnte seine mächtige Brust mit einem Ausdruck von Endgültigkeit. „Ja, ja!“ Er faßte -sie an der Hand und küßte die weiche, schlanke Hand. „Verehrteste… Haben Sie vielleicht ein Gläschen Wodka und eine saure Gurke? Meine Seele brennt, mein Herz blutet, Gnädigste, in meinem Mund und im Magen tanzen sämtliche Teufel der Hölle. Kein Medikus würde sich je auskennen. Gestern, wissen Sie, habe ich mein neues Engagement nach Paris gefeiert, zuviel hinuntergegossen, wissen Sie … !“

Aus der Stimmung gerissen, erhob sich die Diva und starrte ihn ungläubig an. Das war doch ein starkes Stück! „Sie… Sie sind ein…" Heftiger Zorn wollte sich ihrer bemächtigen, aber sie besann sich noch rechtzeitig, ging zu einem Schränkchen, goß ihm ein Glas Wodka ein, das er gierig auf einen Zug hinunterspülte. Dann küßte er ihr beide Hände und begann seine besten Witze zu erzählen.

(Aus dem Russischen übertragen von Irene v Bischoffshausen.)

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