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Drei unbekannte Schwind-Briefe

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Bevor Schwind 1842 in Karlsruhe mit Louise Sachs einen wahrhaft glücklichen Bund fürs Leben schloß, war er mehrmals schon auf Freiersfüßen gewesen. Im Frühjahr 1828 hatte er sich in Wien mit Anna Hönig verlobt, aber im Herbst 1829 entzweiten sie iidi aus weltanschaulichen und aus materiellen Gründen; sie heiratete 1832 Ferdinand Mayrhofer von Grünbühel. Der Umstand, Jaß Schwind in München seit 1828 noch kein regelmäßiges Einkommen gefunden, sdieint audi den Bruch mit einer Marie dort herbeigeführt zu haben, die er im Herbst 1830 kennengelernt hatte und im Sommer 1832 an einen anderen verlor, den sie um 1836 heiratete. In München faßte Schwind auch Neigung zu der Linzerin Louise v. Riedel, auf die er vom Frühjahr 1833 bis Mitte 1834 hoffte, die dann einen Baron Prielmayer heiratete. Im Sommer 1834 näherte sich Schwind der jüngeren Schwester der Brüder von Hartmann in Linz, Therese, die in Wien studiert und, wie Anna Hönig, mit Schubert befreundet gewesen war. Therese war zu Besuch bei Verwandten in München gewesen und dort Sdiwind nähergekommen, der ihr mehrere Zeichnungen schenkte. Im Herbst hatten sie sich in Linz wiedergesehen. Vom Scheitern dieser Werbung erzählen drei bisher unbekannte Briefe Schwinds aus den Papieren der Familie Hartmann, die audi einige andere von 1835 und 1836 besser verstehen lassen.

Im Frühjahr 1835 schickte Sdiwind aus Italien an Therese die erste Fassung des „Wunderlichen Heiligen“, ein Aquarell. Am 24. Juli schrieb Schwind aus Rom: „Die Hoffnungen mit Linz sind etwas schwächer, das heißt mit den Eltern gibt es Förmlichkeiten. Vedremo! ich vergib mir nidits und verliere den Kopf nicht, geht’s wie’s will.“ Am 6. September heißt es: „Von Linz hätte ich vor vierzehn Tagen schon Antwort bekommen sollen, bis jetzt ist aber nidits da.“ Am 20. September aber wurde Therese von ihrer Mutter nach Lemberg geschickt, zu ihrer älteren Schwester Anna Gräfin Revertera. Mutter und Schwester waren gegen die Heirat, der Vater, Regierungsrat Friedrich

Ludwig von Hartmann, noch schwankend; von den Brüdern war Franz, Sdiwinds Freund, für die Verbindung, nicht aber Fritz.

Am 15. November 1835, bald nadi seiner Rückkehr aus Italien, schrieb Sdiwind an Franz von Hartmann. Er berichtet, daß er sich um die ausgeschriebene Stelle eines Direktors der ständischen Kunstschule in

Prag bewerben oder diese Möglichkeit dazu benützen könnte, vom bayrischen Kronprinzen, für den er in Hohenschwangau arbeitete, ein Gehalt zu erwirken.

„Ich habe mit meinem Prinzen nicht wenig auszustehen, das kannst Du Dir denken, aber ich wollte es gerne aushalten, wenn ich nur die Hoffnung hätte, von meiner lichten Königin ein paar Worte zu sehen, aber diese Entbehrung ist fast nidit zu ertragen. Es freut midi hier audi gar nidits, es ist ein rechtes Elend, aber so muß es sein. Ob ich zum Ziel komme oder nidit, idi tue, was ich kann, und überlasse den Ausgang dem, in dessen Hand alles liegt. Grüßen könntest Du sie aber doch von mir, wenn Du ihr sdireibst, und wenn sie einen schönen Grafen nimmt, so laß es mich wissen, es muß mir auch recht sein... Der Theres sagen sie [die Sdiallhammers und Riedels] nadi, sie sei nodi dicker als früher. Diese Leute haben keine Augen im Kopf.“

Franz von Hartmann antworte nidit ermutigend.

Im Dezember 1835 schrieb die Mutter Thereses an ihre ältere Tochter nach Lemberg einen langen Brief, der die Liebesgeschichte umständlich erzählt und Weisungen für die Behandlung Theresens enthält. Daraus erfahren wir, daß Schwind an Anton von Spaun in Linz wegen seiner Aussichten in der Familie Hartmann aus Italien geschrieben hatte, und daß Spaun Fräulein Therese Haas beauftragt habe, Mutter und Tochter auszufragen. Ferner, daß der Maler Leopold Schulz, der aus München nadi Linz gekommen war, Fritz von Hartmann gegenüber indiskrete Äußerungen hatte fallen lassen, die Sdiwinds kühne Hoffnungen verrieten.

Anfang 1836 schickte Schwind an Anton von Spaun einen Brief, der sich in Abschrift unter Franz von Hartmanns Papieren fand: „Wie leid ist mir, daß der gute, treffliche Fränzl hat müssen so einen Verdroß ausstehen ... Ob Schulz geplauscht hat oder, wie idi glaube, wer anderer? Denn Schulz hat mir noch geschrieben, er hätte den ganz Unwissenden gemacht, und viel weiß er gar nicht. Wie sich Fritz betragen hat, danach will idi nidit fragen. Aber was sie erfahren können, ist so, daß sie Ursache haben, mein Benehmen zu respektieren... Ich arbeite, was idi kann, und ist mir das Glück günstig, daß ich zu was Ordentlichem kommen kann, so wende idi so gut um die Therese anhalten können als jeder andere, wenn ich sie noch frei finde. Ich bin auf eins gefaßt wie auf das andere. Es ist und wird in der Sache nichts geschehen, was im geringsten unrecht ist, und so kann ich den Erfolg dem Himmel überlassen, der besser weiß als ich, was recht ist... Es ist fast zum Lachen, was ich für eine Masse Verdruß leiden muß, doch eigentlich für gar nidits. Daß ich so ein reines, edles Herz zu erringen wünsche, auf dem allerehrlidisten Weg, den es gibt, geht doch am Ende niemand was an; geht’s nidit, so ist der Schade mein, und arbeite ich mich in eine anständige Lage, so bin ich ein Mann wie ein anderer und kann midi um eine Tochter des Großtürken bewerben, wenn ich einen Korb riskiere... Der Theres können sie nidits tun, die hat keine Zeile von mir, keinen Kuß, ich habe sie' nicht entführt, nicht gehandfestet, kurz gar nichts. Es ist fast eine Schande, so ordentlich geht es da zu. Idi bemühe mich um eine Existenz, die ich ihr anbieten kann, und plage midi in der Überzeugung; daß sie nodi zu haben sein wird, wenn sie mir bestimmt ist; da kann niemand was dran aussetzen... Wenn man an Dich kommt, sag’s grad heraus, ich komme entweder so, daß es eine Freude ist, oder gar nicht. Begehren kann ich jetzt nidits, denn ich bin nodi im trockenen, aber niemand wird mir verwehren, zu hoffen und midi umzutun.”

Kurz darauf, am 9. Februar, schrieb Sdiwind an Josef Kenner in Linz in ähnlichem Sinne: .. Dabei wird mir weh ums

Herz, wenn ich denke, daß ich die Theres aufgeben soll. Aber vielleicht irre ich mich ... Die letzte Rede der Mama gefällt mir un- gemein; dafür würde idi mich auch bedanken, daß man was einredete, was nicht von selbst da ist... Ich wende midi nicht an die Th., bis ich ganz in Ordnung bin, soviel weiß ich. Denn ich meine es ernsthaft mit ihr und halte alles für lirum larum, als das Beste und einzig Dauerhafte."

Vom 7. Mrj-z ist noch ein Brief an Franz von Hartmann erhalten. Es ist die Antwort auf die Mitteilung des Freundes, daß seine Schwester sich in Lemberg mit Eduard von Arbter, einem Juristen, verlobt habe.

„Für midi war es nie außer der Rechnung, daß um die Theres geworben wird, denn jeder, der beiläufig in der Lage ist, müßte ein Esel sein, wenn er es nicht täte; und ob sie zusagt oder nicht, müßten wir audi erwarten. Der Betreffende hat mit mir drei Jahre zusammen studiert und ist gar kein übler Mann, also damit wären wir fertig. Wenn idi noch eines wünschen mag, so ist es, daß sie nichts weiter erfährt, denn man macht sidi nur lächerlich. Zwei Sachen freuen midi noch. Daß idi nicht brauche mit Deinen Eltern im Krieg zu sein und daß ich meinen faden Prinzen im Falle der Not kann abdanken, ohne mir Vorwürfe u machen. — Dir aber, mein bester, liebster Freund, werde ich anhänglich bleiben, und wenn Du drei, tausend Schwestern hättest, und es ginge mir mit jeder so... Mit Spaun muß sich Deine Mutter aussöhnen, da ist bei Gott Gnad, diesen trefflichen Freund mag ich nicht dafür angefeindet sehen, daß er es gut gemeint hat. Die Häsin [Therese Haas] mag man nadi Belieben zausen, es geschieht ihr recht, warum , hat sie geplaudert... Ich werd midi von der Prosa zu bewahren wissen, und dos andere ist gleichgültig.“

Am 18. September 1836 berichtete Sdiwind an Schober, daß Franz von Hartmann noch immer mit Rosalie von Talatzko verlobt sei, aber: „Seine Schwester hat in Lemberg geheiratet, obgleich in München auf sie [wer] rechnete. Hielte ich nicht Körbe für ehrenvolle Beweise des guten Willens, käme ich bald in Verlegenheit. Ich habe es aber erfahren wie keiner, daß das Beste ungesucht kömmt, woher man es am wenigsten vermutet, und so mag reißen, was nicht halten will.“

In seiner Familienchronik — jetzt in den Sammlungen der Stadt Wien — schreibt Franz von Hartmann unter dem Jahr 1835 über Schwind: „Er schenkte ihr durch den Landrat Spaun das herrliche Bild, den .Wunderlichen Heiligen ... In einzelnen Szenen erscheint die Annäherung beider — wie Mama mit fliegenden Haubenbändern abhalten will — wie Papa traurig sich verhält; wie Leopold Talatzko, welchen Schwind für den von Mama Begünstigten hielt, als Bräutigam mit einem Sträußchen geschmüdct, stolziert (unübertrefflich karikiert); wie Therese betet; wie Schwind sich in eine einsame Gebirgsklause in der Kutte eines Einsiedlers zurückgezogen hat (man sieht die Berglehne und wie das Wild grast durch das große Fenster); wie der Klausner mit schwärmerischem Blick Geige spielt und wie seine Hütte doch behaglich mit an den Wänden aufgelegten Pfeifen, Tabakbeuteln usw. ausgestattet ist; daneben Bilder, wie ihm die Leute Lebensmittel bringen, wie er den Streit eines liebenden Paares schlichtet.“

Der Gegenstand des Bildes ist komplizierter, als die Beschreibung Franz von Hartmanns verrät. Sdiwind hatte das Werk schon 1828 entworfen. Es ist anzunehmen, daß da= Bild, wenn es damals schon ein Erlebnis darstellen sollte, sich ursprünglich auf Anna Honig bezogen hat. Aus dem Brief der Frau von Hartmann an ihre ältere Tochter ist zu entnehmen, daß Schwind Therese hatte bitten lassen, ihm das in Italien entstandene Aquarell nach seiner Rückkehr noch einmal zu leihen, „weil er es in öl und in Schnitzwerk ausführen möchte“. Dazu ist es nicht gekommen. Das Aquarell, das natürlich nicht bei Hartmanns verblieb, wurde aber 1844 in einer leicht veränderten, etwas größeren Fassung wiederholt.

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