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Dresdens Selbstbewußtsein wächst

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Werke, in denen die Apokalypse Klang geworden ist und die dennoch durch eben diesen Klang das Licht der Hoffnung noch im Untergang leuchten lassen”, hatte Intendant Michael Hampe für das Programm der Dresdner Musikfestspiele versprochen, die er zum zweiten Mal verantwortete. „Apokalypse” klang zunächst nicht einladend. Immerhin hatten die Dresdner schon das Gedenken an die Zerstörung ihrer Stadt im Februar und an das Kriegsende im Mai vor 50 Jahren hinter sich.

Aber eine Auslastung von über 80 Prozent für die 63 angebotenen Veranstaltungen ist ja keineswegs enttäuschend. Nicht jedes der aufgeführten Werke war 50 Jahre alt, nicht jedes wollte an irgendeine Katastrophe erinnern. Durchgehend erlebte man aber die Musikstadt Dresden - sei es mit Werken, die hier entstanden sind, mit Künstlern, die hier wirken oder mit Gastspielen, die die Attraktivität der Stadt für auswärtige Künstler unterstreichen.

Die Meister, die hier gewirkt haben, heißen sie nun Heinrich Schütz, Jan Dismas Zelenka oder Richard Strauss, gehören stets dazu. Zelenka war Hofkapellmeister, Schüler des Wiener Hofkapellmeisters Johann Josef Fux, kam aus Böhmen und wurde ausgiebig anläßlich seines 250. Todestages im Dezember gefeiert. Dresden stand durch die reiche, durchaus werbewirksam gemeinte Kunstpflege des katholischen Hofes inmitten eines protestantischen Landes in enger Beziehung zu den anderen großen Barock-Zentren der Zeit. Am Taschenberg-Palais, das soeben nach gründlicher Bestaurierung als Hotel eröffnet wurde, findet sich eine nagelneue Gedenktafel für den Meister. Für auswärtige Gäste (die immerhin schon 43 Prozent der Karten kauften) steht - etwa bei einer Aufführung des „Lohengrin” nicht nur die Semper-Oper, die Sänger oder eine frühe Inszenierung von Christine Mielitz im Mittelpunkt des Interesses. Im nahen Graupa hat Wagner die Oper großenteils niedergeschrieben, in die Stuben im „Schäferschen Gut” zog sich Wagner mit seiner Frau Minna vom aufreibenden Dresdner Operndienst zurück. Jetzt ist dies eine liebevoll betreute Gedenkstätte mit einem intimen Saal für Vorträge und Konzerte. Nicht weit davon, am Beginn der „Sächsischen Schweiz” im Liebetha-ler Grund, erhebt sich das angeblich größte Wagner-Denkmal der Welt, das der Bildhauer Bichard Guhr auf eigene Kosten errichtet hat.

Hätte man in der Semper-Oper etwa den „Freischütz” gesehen, so wäre man vielleicht vor- oder nachher nach Dresden-Hosterwitz gepilgert, wo ein gelbes Gebäude an die Sommer-Aufenthalte des Kapellmeisters Carl Maria von Weber erinnert. Auch hier und in vielen Schlössern der Umgebung wird musiziert.

Eigentlich hätte Georg Philipp Te-lemanns Donner-Ode im Zwinger unter freiem Himmel erklingen sollen, das Wetter zwang Künstler und Publikum in den Saal des Hygiene-Museums. Unter dem berühmten Trompeter Ludwig Güttier spielten die „Virtuosi Saxoniae” Werke von Vivaldi und Zelenka. Dieses junge Ensemble verkörpert die Dresdner Musizier-Tradition ebenso wie der Kreuz-Chor, wie die beiden großen Orchester der Stadt. Hier erlebte man, wie lebendig die alten Meister sein können.

„Aufklärung” als Motto für 1996

Im nächsten Jahr soll die Aufklärung unter dem skeptischen Titel „Der Traum der Vernunft” das Motto der Musikfestspiele liefern: „Aufklärung als nicht abgeschlossene Epoche der Geschichte, die bis in die Gegenwart wirkt”, meint Intendant Hampe. Hampe, der „Wessi” mit internationalen Verbindungen, hat die Möglichkeiten Dresdens schnell erkannt und viele Potenzen aufgeweckt und ermutigt.

Er hat mancherlei bürokratische und finanzielle Hindernisse zu überwinden und Geduld zu lernen gehabt. Mit wachsender Zuversicht blickt er in die Zukunft.

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