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Digital In Arbeit

Es war beide AAale derselbe Hund

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.Was soll das bedeuten?“ Er fragte es mit den Augen, denn er war sprachlos.

.Er ist mir zugelaufen“, sagte sie.

Und? Warum hast du ihn nicht weggejagt?“

„Das ist ein Rassehund“, klärte sie ihn auf, „so etwas jagt man nicht weg, sondern man meldet es als Fund an und bekommt Finderlohn.“

Er glaubte nicht an den Finderlohn, aber es war ihm eine Beruhigung, daß das Tier Bald wieder aus dem Hause kommen werde.

Als die Frau vom Fundamt sprach, war es ihr ernst damit. Aber als der Hund den Kopf in ihren Schoß legte und sie unverwandt anblickte, beschloß sie, ihn noch über Samstag und Sonntag zu behalten.

„Wenn sich niemand meldet...“, sagte sie. „Dann werden wir ihn verkaufen“, setzte er fort.

Was Frau Sabine damals dachte, war kein fertiger Entschluß, nur eine halbe Erwägung.

Am Samstag zog sie das Sonntagskleid an und ging nachmittags mit dem Rassehund spazieren. Sie nannte ihn, wenn sie gehört wurde, Blacky. Manchmal warfen Vorübergehende einen Blick auf den Hund, dann auf sie. Blacky, sagte sie dann. Einmal blieb ein Herr stehen und fragte: .Wie alt ist er?“ .Zwölf Jahre“, sagte sie. .Er ist reinrassig“, wollte sie hinzufügen, aber der Herr war schon weitergegangen.

Es war etwas in ihr wachgeworden, das sie nicht hätte beim Namen nennen können. Es war ihr, als ob sie etwas geworden wäre, das sie vorher nicht gewesen war. Sie hatte in jungen Jahren geheiratet. Sorgen und Arbeit und mehr noch die Monotonie ihres Daseins hatten sie bald verblühen lassen.

Auf dem Fundamt, wo der Mann am Montag gewesen war, hatte niemand den Verlust eines Hundes anrjeigt. Nach der Arbeit führte der Mann bisweilen den Hund aus, ob sich nicht ein Interessent dafür fände. Aber er fühlte sich beschämx durch die Vornehmheit des Hundes, der mit seiner billigen Kleidung nicht in Einklang stand. Er neidete dem Hund nicht die Nahrung, die schließlich auch etwas kostete (denn in ihrer Küche gab es wenig Abfälle), sein Argument gegen den Hund war ein soziales. .Was brauchen wir einen so edlen Hund“, sagte er. Aber gerade das war es, was die Position des Hundes bei der anderen Hälfte der Familie festigte. „Warum sollen wir nicht auch einmal etwas Besseres im Hause haben“, erwiderte sie, „aber du bist ja gegen alles Höhere.“

Eines Abends in einer Seitengasse — er ging immer mit dem Hund in wenig begangene Straßen, ganz im Gegensatz zu seiner Frau und im Widerspruch zu seiner Absicht, den Hund an den Mann zu bringen — blieb ein Herr stehen und betrachtete das Tier. Der Mann blieb gleichfalls stehen. „Haben Sie vielleicht Interesse an dem Hund?“ fragte er. Der Herr schüttelte den Kopf. „Was ist der Hund wert?“ fragte er den Herrn mit dem Kenneraussehen. „Nicht viel“, sagte der, „schon für Rassehunde ohne Stammbaum wird nicht viel gegeben, und dieser ist außerdem nicht reinrassig.“

Die Gefühlsskala, die der Mann durchlebte, ist widerspruchsvoll. Dem Gefühl der Enttäuschung (,das Geld hätten wir ganz gut brauchen können') folgte das einer unverhohlenen Schadenfreude (,wie hatte sie gesagt? Du bist gegen alles Höhere'), aber beide Empfindungen wichen rasch einer dritten, vielleicht nicht so klaren, aber offenbar dauerhafteren. „Also du bist nicht edelrassig, so ein wenig von der Straße“, sagte er nachdenklich im Weitergehen, „da gehören wir ja zusammen.“

Entgegen seinem ersten Vorhaben erwähnte er zu Hause nichts von der Begegnung. In den nächsten Tagen war Frau Sabine froh, daß kein Wort mehr vom Veräußern fiel. Sie kaufte sich ein Halstuch, schwarz-weiß, die Farben des Hundes. Ihr Mann merkte den Zusammenhang, ließ es aber nicht durchblicken. Bei den Sonntagsausflügen ging der Hund zwischen den beiden (sie auch innprl'ch sonntägig-feierlich, er voll Umsicht bei Straßenübergängen). Zu Weihnachten kauften sie sich gegenseitig, ohne eines vor deren zu wissen, Halsband und Hundeleine, er einfache billige, sie schöne bunte. Sie einigten sich schließlich dahin, daß jedes das seine verwende, wie es eben ihren Vorstellungen von der edlen beziehungsweise unedlen Herkunft des Hundes entsprach.

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