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Gruf an Mozart

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Der Saal ist riemlich voll: Es ist die Zeit des Soupers. An kleinen Tischen sitzen Paare und Pärchen. Die Pariser lieben das Beisammensein an großen Tischen nicht. Gabeln und Teller klappern, Gläser klingen, leise Unterhaltung ist in vollem Gang.

Da stimmt das Orchesterchen an: „Mon coeur souspire..Mozartsche Klänge schweben auf, selber ein Lächeln, ein Äugeln, von Künstlerhand geschaffen, aber auch von Künstlerhänden wiedergegeben. Immer stiller wird es im Saal. Die Gabeln und Teller hören auf zu klappern, die Lippen unterbrechen das Geplauder.

Als die Musik zu Ende ist, gibt es Händeklatschen wie nach einer Premiere. Das Orchesterchen verneigt sich, es verdient den Beifall. Man ist begeistert, einen so eleganten Liebling zu haben, als es der Österreicher Mozart ist, und ihn so elegant musizieren zu hören, nicht nur in der Oper, sondern auch nach der Oper. Dieser Begeisterung gibt man spontanen Ausdruck. Und gleich darauf beginnen Gabeln und Teller wieder zu klappern, Lippen wieder zu schwatzen und Gläser wieder zu klingen. Das Souper geht weiter.

Meine Müdigkeit ist verflogen, ich bin frisch wie nach dem Morgenbad und voller Freude Sber ein Volk, dem Apoll mehr gilt als Lukuli und das für echte Kunst, wo immer sie sich zeigt, gern einen Hammelbraten kalt werden läßt. ““ “. %-• *“*.% ;äV;“: ' . ■

Gott zum Gruß, lieber Mozart, dachte ich, als ich heimkehrend Salzburg passierte. Auch dich hielten die Grenzen, und immer wieder kehrtest du an die Donau zurück. Aller Glanz der Welt war dir bereitet, du aber hattest mehr als sie und bliebst im Schatten. Bliebst in Wien, wo ein Salieri, ja ein Clementi mehr galt als du.

Deinen Werken ergeht es wie den Frauen, in die man verliebt ist: sie werden immer schöner. Immer mehr beglücken sie uns, nehmen einen immer größeren Teil unseres Herzens in Besitz, bis es ganz und gar ihnen gehört und in ihrem Wiederschein leuchtet. Wie leid tun mir die Menschen, denen deine sonnige Weisheit verlorenging! Die dich vertiefen und beschweren wollen und daran Anstoß nehmen, daß Fiordiligi und Dorabella nur durch die Farbe ihrer Haare voneinander unterschieden sind! Die ein Schlachtfeld der Seele sehen wollen, wo du ' einen blühenden Garten pflanztest, darin die Rosen sich ebenfalls nur in rote und weiße scheiden. Und wie freu ich mich mit den andern, denen Figaro und Cosi fan tutte mehr sind als malayische Perlen, die von Tauchern aus dem Meeresgrund heraufgeholt werden müssen. Das Gold der Tauern, wo anders ist es als in deinen Werken!

Was dank ich dir nicht alles, Wolfgang Amadeus! Die wunderbarsten Enthüllungen der musikalischen Lehrjahre, den kostbarsten Gewinn der Wanderzeit, die schließlich den Sonnenschein der Heimat in dir fand; die innere Befreiung endlich von der boshaften Verkleinerung, der wir nun einmal bis nach unserem Tode ausgesetzt sind, wenn wir gar Genies sind, bis hundert Jahre nach unserem Tode.

Mozart der Genius gehört der ganzen Welt, Mozart der Mensch ist unser, ist von unserem Wesen, von unserer Art. Ein Österreicher, den die Welt verkannte, so lange er auf ihr war. Nicht der einzige Österreicher, den sie verkannte, aber vielleicht der größte unter ihnen.

1756 hob man ihn aus der Wiege, 1791 trug man ihn bei Nacht und Nebel zu Grabe. Dazwischen liegt ein kurzes Leben, schwer an Werken, trotz 'der Kürze ein reiches, ein vollendetes Leben. Zwischen diesen Jahren liegen aber auch Kämpfe und Kabalen, Neid und Mißgunst, Haß und Verfolgung, Elend und Not, von denen selbst das Stückchen Brot verbittert wurde, das der Meister aß. Und eine Ehe liegt in diesen Jahren, in der alle Sorgen miteinander die Sonne nicht verdunkeln konnten.

Sonne, das ist unser Mozart. Verkannt, vergessen, arm und krank — und doch nichts als Sonne. So viel Sonne, daß die Welt davon hell ist. Hell und warm und leuchtend von der Herzenssonne eines Österreichers. *

Mozartsche Musik! Ein Freudiges, Gnadenvolles, das nicht zu Grübelei und Melancholie führt, sondern zum Schönen, Uberglnäzten, zur Erkenntnis. d.iß es auch außerhalb unserer zerrissenen Tage, unseres sorgenzerquälten Lebens noch ein anderes, ein freies, unangetastetes und unantastbares Dasein gibt: die Liebe der Menschen. Diese Liebe der Menschen lebt und jubelt in Mozarts Musik„ welches Kleid sie tragen, in welcher Sprache sie singen mag. Sie befreit, adelt, erhöht. Sie duldet alles, deckt alles zu, trägt Böses nicht nach und höret niemals auf. Auch du wirst nicht aufhören, Wolfgang Amadeus, bis auch unser Herz über die Enge der Welt hinausbTüht ins Land der nie untergehenden Sonne. Wir grüßen dich mit dem Spruch deines großen Landsmannes Grillparzer, der als einer der ersten deinen Genius erahnte:

Dem großen Meister in dem Reich der Töne, der nie zu wenig tat und nie zu viel, der stets erreicht, nie überschritt das Ziel, das mit ihm eins und einig war: das Schöne!

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