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David Albaharis Erzählungen "Fünf Wörter" wirken nachhaltig.

Warum soll man den Erzählband "Fünf Wörter" des serbischen, seit 1994 in Kanada lebenden Autors David Albahari lesen? Unter anderem, weil die Lektüre außergewöhnlich nachhaltig ist.

Die Erzählung "Worte sind etwas anderes" etwa: Einem Mädchen wird am Telefon der Laufpass erteilt. Sie geht in die Küche, wo die Mutter gerade an einer Mütze strickt. Trost findet sie bei ihr nicht, nur den Rat zu schweigen. Das Mädchen geht in sein Zimmer. "Recht hat sie, dachte sie, Worte werden ihn nicht zurückbringen. Worte sind etwas anderes." Hier endet die Erzählung, die gerade einmal fünf Seiten umfasst. Und beginnt gleichzeitig noch einmal von neuem im Leser, der allein gelassen mit diesem rätselhaften letzten Satz vielleicht ähnlich ratlos wie das Mädchen in seinem Zimmer sitzt, sich fragend: "Ja und, was sind sie dann, die Worte?" Nur selten ein probates Mittel zur Verständigung zwischen den Menschen, wie es scheint. Es sei denn, diese sind einander so fremd, dass keine falsche Vertrautheit die Botschaften zu vereinnahmen und damit zu deformieren sucht.

In "Kyrillisch lernen" begegnen einander ein serbischer Ich-Erzähler und der Indianer Sturmwolke. Der Serbe unterrichtet jeden Freitag die Kinder von Einwanderern in einer Kirche, vor der regelmäßig der Indianer steht. Sie kommen ins Gespräch - Sturmwolke nimmt den Erzähler mit ins Museum, erklärt die Geschichte seines Volkes. Der Erzähler wiederum macht ihn bekannt mit dem Popen und den Kindern. Es ist Wärme in diesem Einander-Suchen mitten im kanadischen Winter, im Interesse der beiden füreinander. Der eine, im eigenen Land zum Fremden geworden; der andere ohne großes Engagement den untereinander Englisch sprechenden Kindern die fremde Sprache der elterlichen Heimat beibringend.

Ob im eigenen oder im fremden Land, ob umgeben von der eigenen oder einer anderen Sprache, es fällt in jedem Fall schwer, sich zurechtzufinden im Leben. "Manche Dinge erfassen wir nie" - so der programmatische Titel einer Erzählung, die in Serbien spielt und in ihrem Mittelpunkt den ehemaligen Tuchhändler Ruben Rubenovic hat. Zeit seines Lebens hat er die Schriften studiert, die Mischna, die Thora, die Kabbala: "Aber alles, was ich las, lehrte mich nur eins: daß die Menschen sich auch über die einfachsten Dinge nicht einigen können. Kaum hatte ich eine These akzeptiert, tauchte ein anderes Buch auf, das diese völlig widerlegte."

Kennt die Frau des Schriftstellers in "Meine Frau hat helle Augen" den alten Tuchhändler? Wenn sie sagt, dass die Gewissheit der "Tod der Literatur" ist, ist es, als kommunizierten die beiden Erzählungen miteinander. Der Schriftsteller und seine Frau entwerfen je eine Geschichte und erzählen sie einander. In der ihren geht es um einen Mann, an dessen Tür es klingelt, aber niemand steht davor. Als er auf den Korridor tritt um Nachschau zu halten, fällt die Tür hinter ihm zu. Er hat keinen Schlüssel. Er klingelt bei seiner eigenen Tür, obwohl er wissen muss, dass niemand ihm öffnen kann.

Wohnungen, noch mehr aber Häuser spielen in mehreren Erzählungen eine zentrale Rolle - die Bewohner sind (in) ihnen verhaftet. Im Haus materialisieren sich getroffene Entscheidungen, Behauptungen, es erscheint als Metapher für Verfestigung. Manch einer will sein eigenes Haus nicht mehr betreten ("Mein Mann"), bleibt abends, wenn er von der Arbeit kommt, im Auto sitzen. Anderen beschert es Albträume ("Schlechte Träume"). Als Hort der Sicherheit ist es potenziell immer auch schon ein Ort der Isolation - schwer hat es etwa der Briefträger in "Der Fels", der demonstriert, wie oft er klopfen, wie lang er warten muss, bis jemand erscheint, bis die Post ihren Empfängern zumindest übergeben werden kann.

"Fünf Wörter" ist ein an Motiven und Themen reicher Erzählband - handelt von Sprachverlust, Fremdheit, Einsamkeit, Krieg, Emigration, dem schwierigen Verhältnis von Mann und Frau. Albahari erzählt präzise, reduziert und dicht, vertieft die Texte oft durch mythische und märchenhafte Elemente, bewirkt, dass sie lange dauern.

Fünf Wörter

Von David Albahari

Aus dem Serb. von Mirjana und Klaus Wittmann. Eichborn Verlag, Frankfurt 2005. 177 Seiten, geb., e 19,50

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