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Neue Instrumentalkonzerte

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Auf die Frage, warum denn unsere Solisten immer wieder die gleichen Konzerte spielen, kann man zuweilen die Antwort hören: es gäbe nur einige wenige wirklich „gute“ Instrumentalkonzerte, die übrigen seien „undankbar“. So kommt es, daß man etwa die während einer Spielzeit aufgeführten Violinkonzerte an den Fingern einer Hand aufzählen kann. Dagegen werden die Finger beider Hände nicht immer ausreichen, um abzuzählen, wie oft etwa das Violinkonzert von Mendelssohn im Laufe einer Saison wiedergegeben wurde. Hier klafft ein Gegensatz zwischen den Wünschen des Großteils der Konzertbesucher, die schöne und interessante Musik hören wollen, und dem Virtuosen, der seine Technik erweisen und brillieren will — mit Hilfe eines Konzerts. Er will gleichsam etwas „unter Beweis stellen“, was im Grunde niemanden interessiert, da es Voraussetzung jeder Kunstübung ist, aber nicht deren Wesentliches ausmacht: daß er nämlich sein Instrument in allen Lagen und Zwangslagen beherrscht.

Gleichermaßen anstrengend für den Solisten und unerfreulich langweilig für die Zuhörer ist es, wenn an einem Abend gleich drei Instrumentalkonzerte exekutiert werden. Ganz abgesehen von der klanglichen Uniformität (die viel störender ist, als bei einem Soloabend mit Klavierbegleitung), dominiert bei einer solchen Veranstaltung zu sehr das Virtuose auf Kosten des Gehalts. Überflüssig, zu sagen, daß in einigen klassischen und romantischen sowie auch in zahlreichen modernen Instrumentalkonzerten diese® Mißverhältnis nicht existiert. Hier gilt es für den Solisten, Neues zu entdecken — auch in der älteren Literatur, besonders aber auf dem Gebiet der zeitgenössischen Musik. Es gibt Spezialwerke und Verzeichnisse von Instrumentalkonzerten. Auch finden sich in dem verbreiteten „Atlantis-Buch der Musik“ zahlreiche Werktitel. Schöne und lohnende Aufgaben bieten sich auf diesem Gebiet auch unseren jungen Komponisten.

Eine Bereicherung der Konzertliteratur bedeutet das 1936 geschriebene Klavierkonzert von Aram Chatschaturi a n, der auch ein ausgezeichnetes Violinkonzert und ein etwas schwächeres Cellokonzert komponiert hat. Hier ist eine reiche und blühende, hauptsächlich aus der armenischen Folklore geschöpfte Melodik, eine glänzende Instrumentierung, ein abwechslungsreicher und virtuoser Klavierpart: Hörer, Solist und Dirigent kommen gleicherweise auf ihre Rechnung. Diese Musik ist nicht sehr tief, aber immer inspiriert und geschmackvoll. Stilistisch neigt das Werk dem Orientalismus französischer Prägung zu (De- bussy-Ravel). Moura Lympany. war die ausgezeichnete Interpretin dieses eher maskulinen Konzerts. Die rhythmisch saubere, temperamentvolle und sorgsame Begleitung durch die Symphoniker unter Professor Krips verdient, besonders hervorgehoben zu werden.

Es wäre unbillig, an das 1943 vollendete

2. Hornkonzert von Richard Strauß den Maßstab etwa des „Don Juan“ oder der „Elektra“ anzulegen. Es handelt sich hier nicht nur um ein Alterswerk, sondern auch um eine von Jugenderinnerungen des Komponisten bestimmte retrospektive Komposition. Hörte man das Werk, ohne den Autor zu kennen, so würde man viel leicht auf einen unbekannten Meister um 1870 raten. Technisch ist das kurze, dreisätzige Werk sehr interessant: gelingt es Meister

Strauß doch, sämtliche Register und Spielarten des Horns so auszunützen, daß man mit Interesse für diese leichte, fast kunstgewerbliche Arbeit von Satz zu Satz mitgeht. Der junge englische Hornist Dennis Brain spielte, kühl und unberührt, mit etwas verschleiertem Ton den außerordentlich schwierigen Part.

Weniger erfreulich war die Bekanntschaft mit dem „Konzert für Violoncello undOrchester über Themen von Tschai- kowsky“ von Gaspar Cassado. Es handelt sich hier um eine potpourriartige Aneinanderreihung einer Anzahl jener Themen, die auch der begeisterte Tschaikowsky- Verehrer gern nur einmal hört und schnell wieder vergißt — die freilich dem Cello auf den Leib geschrieben zu sein scheinen. Das hat Cassado bemerkt und ein Quodlibet zusammengestellt, das weder dem großen russischen Komponisten noch dem großen spanischen Virtuosen zu besonderer Ehre gereicht. Am erträglichsten ist noch der letzte rasche Satz, der ohne jede Ambition Volkstanzthemen aneinanderreiht. — Cassado spielte diese Musik aus dem antichambre du mauvais gout mit vollendeter Technik und einem so noblen Ton, daß auch die leicht karikaturistischen oberen und untersten Lagen des Cellos prachtvoll klangen. Sein Piano ist besonders hervorzuheben. Die Wiener Symphoniker begleiteten unter Alceo Galliera.

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