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Max Mells „Jeanne d'Arc“

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Die Bregenzer., Festspiele 1956 begannen rhit der Uraufführung der „Jeanne d'Arc“ von Max Meli durch das Wiener Burgtheater. — Aus dem Drama der Jungfrau von Orleans hat Max Meli jenen Abschnitt gewählt, an dem Friedrich Schiller vorbeigegangen ist. Für unseren großen Klassiker war Johanna die Heldin des nationalen Befreiungskampfes; sie mußte fallen, aber auf dem Schlachtfelde, nfcht im schmachvollen Tode der Ketzerin und Hexe untergehen. Und doch zeigte sich die Größe Johannas nicht so sehr in dem Entsatz von Orleans und im Einzug in Reims als vielmehr während des Prozesses, in dem das nach menschlichen Maßen ungebildete, aber von Gott unmittelbar berufene Landmädchen menschlicher Macht und hoher Gelehrsamkeit gegenübersteht, der es zum Scheine unterliegen muß. um sub specie aeternitatis zur Siegerin zu werden.

Das Ringen verschiedener Gewalten um Johanna und ihren unerhörten seelischen Kampf gibt Max Meli den Stoff zu seinem Drama. Es beginnt im Kerker und endet mit der Abführung der Jungfrau zum Scheiterhaufen. Das Spiel währt zwei Stunden ohne Pause und läuft in einer Spannung, die in der dramatischen Literatur nicht viele Beispiele hat. Der Kampf geht in Johanna und um sie. — Verhältnismäßig einfach ist die Position der Engländer, des Herzogs von Bedford und des Grafen Warwick. Englische Soldaten sind vor einem Mädchen davongelaufen; ergo kann sie nur eine Hexe gewesen sein, sonst wären die Folgen für die englische Kriegführung unabsehbar; das weitere ergibt sich von selbst. Nicht so einfach ist die Lage des Bischofs Peter Cauchon. Sicher keine sympathische Erscheinung, aber letztlich ist Cauchon doch Franzose und Mann der Kirche; hätte Johanna den von ihm gebotenen Ausweg betreten, wäre ihm geistliche Haft mit späterer Begnadigung die erwünschte Lösung gewesen. Es ist historisch, daß Peter Cauchon von britischer Seite des Verrats an England beschuldigt wurde: Vielleicht streicht der Dichter an den Inquisitoren die Absicht, •. eine--milde Lösung -einer nicht mehr gutzumachenden Hinrichtung vorzuziehen, etwas stark heraus; unhistqrisch ist die starke Unterscheidung der geistlichen Richter und der weltlichen Machthaber, die nur zu einem bösen Ende kommen wollen, auf keinen Fall.

So ist in Max Wells „Jeanne d'Arc“, das Drama der Jungfrau von Orleans, unerhört zeitlich gerafft und bei aller starken Spannung wesentlich in die einzelnen Gestalten verlegt. Inge Langen verkörpert die Titelrolle in eindrucksvoller Gewalt. Ihr stärkster männlicher Gegenspieler ist Andreas Wolf als Advokat des Königs. Ihm zur Seite steht Alma S e i d I e r als Frau von Ligny. die' an Johanna glaubt und die Schmach erleben muß, daß ihr Gatte (Hermann T h i m i g) es war, der das Mädchen verkaufte und nun aus der Fahne das zweite Geschäft schlägt. Gestalten aus einem Guß sind Heinz Moog als Bischof Cauchon und Helmut Krauss als Inquisitor Lemaitre, ferner Ulrich B e 11 a c und Fred L i e w e h r, der sich bemüht, die wenig dankbare Rolle als knorriger Haudegen zu spielen. — Besondere Anerkennung verdient die Regie von Josef Gielen, welche die Handlung in ihrer Geschlossenheit abrollen läßt und es versteht, Heiliges und Untermenschliches, versagende Klugheit und letzten Endes siegende Torheit nebeneinander zu stellen. Dazu kommt das Bühnenbild von Teo Otto. Es vereint eine Ratsstube des späten Mittelalters und das Grauen des Kerkers; das Licht fällt durch ein gotisches Kirchenfenster. So liegt die Bühne in der Stimmung einer französischen Kathedrale, unter deren Licht sich Schmach und Grauen vollzieht, das in letzter Szene: mit einem Siege des Heiligen endet. So geht der Zuschauer aus dem schmerzlichen Spiel mit dem Gedanken heim, daß göttliche Berufung und wahre Heiligkeit selbst über den Irrtum eines geistlichen Gerichtes triumphieren.

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