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Peter Anich der STERNSUCHER

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5$. Fortsetzung

4000 Gulden habe man nun auf die Karten bereits aufgewendet, und am Ende bleibe doch nur ein sehr unvollkommenes Fragment übrig. Schließlich habe jeder Mensch, vor allem der begabte, der Künstler, sein Kreuz zu tragen und er bewähre steh an der Art, wie er es trage, mehr als an seinem Werk selbst.

^dt. wann schreibt ihr euch Briefe“, fragte Leni, „ich tat halt an deiner Stell mit dem Herm von Weinhart reden. Der hat noch immer einen Ausweg gewußt.“

Peter nickte, aber es war ihm wohl, daß er diesmal nicht nur ans eigenem Entschluß nack Innsbruck ging.

Der Professor erschrak, als er dann den Bauern vor sich sitzen sah. „Ich weiß auch einen Weg“, sagte er nach langem Schweigen, „der weder von dir fordert, was du nicht geben kannst, noch die Karte schädigt: Man müßte nur einen tüchtigen Gehilfen finden, nicht für die Meßlatten, sondern für den Meßtisch, einen, der auf die Berge steigen kann und nach deinen Anordnungen selbständig arbeitet, einen zweiten Peter Anich. Doch den gibt es leider nicht, oder Gott sei es gedankt, wie man es nimmt.“

„Ich wüßte schon einen“, sagte Peter. Er nehm ein Stück Papier vorsichtig aus seinem Schreibbücbilein ond hielt es dem Pater vor die Augen. Es war darauf aber in einen Kreis nicht größer als ein gewöhnliches Kreuzers rück mk winzigen Buchstaben das Paternoster und das Avemaria geschrieben. „Ick denk, der Mann, der das gemacht hat, bann besser schreiben ond zeichnen als ich selber. Und rechnen kann er. - Zehn Zahlen hmtereinander behält er im Kopf, besser, als wenn ich sie notiere. Auch hab ich ihn schon bei den Kubikwurzeln“, er lachte. „Nur die Stern liebt er nicht sonderlich, aber das schadet nicht, wenn er den Polstern mir einmal recht vermessen karm. Wird er wahrscheinlich keine Himmelskugel schaffen, vielleicht aber deshalb ein besserer Landmesser, ein fügsamerer dazu.“

Der Professor betrachtete indes das Papier unter der Lupe. Wie denn der Mann heiße und ob er am Ende auch in Perfuß hause, fragte er dazwischen.

„Er heißt Blasius und ist ein Hueberischer“, sagte Peter, „auch kann er leichter von daheim fort, sind ihrer ein Haufen heut schon erwachsener Buben im Haus. Du kennst ihn ja von der Himmelskugel her.“

Herr von Weinhart entsann sich auch des jungen Mannes. Das sei sogar eine gar.z ausgezeichnete Idee, rief er aus. Auch ihm war sichtlich leichter ums Herz, und schön, doppelt schön, daß Peter ihn selbst vorschlage und schon erprobt und unterrichtet habe. Auch er werde natürlich das Seine dazu tun. Im übrigen hatte Herr Schauer die Probekarte geliefert, und sie gefiel beiden recht gut.

Doch während Peter in den nächsten Wochen richtig wieder zu Kräften kam und nun schon, einmal entschlossen, nur mehr an Meran dachte und an den gepriesenen Frühling des Südens, erkrankte der alte Schauer an Gliedersucht, und als Peter auf des Professors Wunsch ihn heimsuchte, fand er einen völlig gelähmten Mann. Er nahm daher die zu drei Vierteilen vollendete Platte mit sich ond stach sie in einer Woche zu Ende. Diese Arbeit erfrischte ihn.

Herr von Weinhart hatte indes nach langen Beratungen an den Augsburger Landkartenverleger Lotter geschrieben, ob er nicht den Stich der zweiten und dritten Platte übernehmen könne, und diesen Brief durch einen Expressen des Guberniums befördern lassen. Der kam denn auch bald mit dem jungen Lotter, dem Sohne des berühmten Verlegers, zurück. Er war ein junger frischer Bursch, der sich auf seine Kenntnis viel zugute tat. Als er aber die Karte vor sich hatte, bemängelte er sogleich allerlei. Sie sei allzu überladen, die Gebirge seien in einer sonst nicht angewendeten Manier getuscht, viele Signataren höchst überflüssig aufgenommen und tadellose Stiche von den beiden restlichen Blattern deshalb auch nicht zu versprechen.

Wenn man ihm hundert Gulden für die Platte bewillige, so werde er immerhin mit all seiner Erfahrung und Geschicklichkeit noch etwas Brauchbares schaffen. Um Peter bekümmerte er sich überhaupt nicht. Der Bauer ging ihm auch nicht mehr zu.

Als er dann aber mit der zweiten fertigen Platte angerückt kam, bezahlte ihm Herr von Weinhart auf der Stelle die hundert Gulden und das Reisegeld nach Augsburg obendrein. Auch die Schauersche wies ja Mängel auf, aber diese zweite bestand nur aus einem wüsten Durcheinander von Strichen und Klecksen. Einzelne Orte waren gleich um halbe oder auch um ganze Meilen verschoben, Signaturen ausgelassen, gerade -Straßen gekrümmt, Flußläufe unterschlagen, es war in allem ein jämmerliches Blatt.

Deshalb schickte Herr von Weinhart das dritte Blatt nach Wien an den Buchhändler Trattner mit der Bitte, er möge einen geeigneten Mann ausfinden “und ihm den Stich auftragen. Er meinte dazu, die Wiener möchten nun sehen, wie sie mit der bereits gründlich verpfuschten Karte noch zurechtkämen. Dieses Blatt fiel auch leidlich aus, aber als sie dann alle drei Blätter nebeneinander legten, auch Graf Trapp war diesmal in des Gubernators Vertretung dabei, stimmten sie bald überein, daß man ein solch geschecktes Kartenwerk, wie der Graf es nannte, eine Sammlung schülerhafter Kupfer-Stichüpungen, eine derart unwürdige Pfuscherei weder dem Publikum noch gar dem kaiserlichen Paar vorlegen dürfe.

„Dann brauch ich auch nicht eigens im Juli aus dem Etschtal nach Innsbruck reisen“, sagte Peter. Das Weinen stand ihm nah.

„O doch“, Herr von Wein hart faßte ihn am Arm, „ich bin sogar sehr glücklich, daß diese Karte so völlig mißlungen ist und ohne unser Zutun, nun legen wir der Kaiserin etwas sehr viel Schöneres vor, die alte, die richtige Karte, selbst wenn sie nicht gestochen ist, und wenn alle ihre Räte uns in die unterste Hölle verwünschen.“

(Fortsetzung folgt)

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