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Soeben erschienen: Margit Schreiners neuer Roman "Haus, Friedens, Bruch".

Da hatte ich noch Kraftreserven. Außerdem dann wieder: sagenhaftes Glück." - "Jetzt muss ich sagen, dass ich schon alles probiert habe: Rückengymnastik, Turnverein …" - "Weil: Sobald du anfängst, dein seelisches und gedankliches Chaos auf vernünftige Weise zu ordnen, ist es wiederum aus mit dem Schreiben."

Sieht fast so aus, als wäre Wolf Haas' brummiger Privatdetektiv Brenner zurückgekehrt, doch es ist der durchgängige Sound des neuen Buchs von Margit Schreiner, das mit dem aufgebrochenen Dreischritttitel Haus, Friedens, Bruch an den monumentalen Monolog des verständnislos zurückgebliebenen Ehemannes in Haus, Frauen, Sex anknüpft.

Buch ohne Mord

Das Motiv für die Übernahme des sprachlichen Erfolgsgags der Brenner-Krimis wird im Text wiederholt eingespielt: "Da bist du ja heute geradezu literarisch ausgegrenzt, wenn in deinem Buch kein Mord vorkommt … Aber niemand spricht davon, dass alle Krimis eben doch letztlich Unterhaltungsliteratur sind und sonst gar nichts. Jetzt ist es schon passiert, sehen Sie! Ich habe mich doch festgebissen." Die Autorin, die sich kein U für ein E vormachen lassen will, nutzt die Sprachmaske gewissermaßen als Waffe im Abwehrkampf gegen die grassierende Krimimanie. Trotzdem vermisst man Schreiners ganz eigenen Sprachduktus, und vielleicht liegt es daran, dass das neue Buch etwas weniger stringent durchgehalten wirkt - ein Lesevergnügen ist es allemal.

Thematisch sind alle Zutaten da, die Schreiners Bücher zugleich radikal und amüsant machen. Das monologisierende Ich ist diesfalls eine geschiedene Frauenfigur, die in einer neuen Beziehung lebt; er heißt Bruno, wie das Bären-Maskottchen mit dem roten Halstuch, das Margit Schreiner ein Jahr lang als Stichwortgeber ihrer Glosse in der Oberösterreichischen Rundschau diente. Vielleicht bekommen wir Bruno deshalb nicht zu sehen, er wohnt in der Wohnung darunter, erhält aber keinen Auftritt.

Dafür wird die Ich-Figur in ihrer neuen, mit viel Liebe und Ratgeberwissen eingerichteten Wohnung immer wieder von ihrem Ex-Mann heimgesucht, von der Mutter sowieso, von einem Kinderpsychologen und manchmal sogar von Brunos Ex-Frau. Einzeln und gruppenweise suchen sie die Erzählfigur des Nachts heim, überhäufen sie mit ihren Vorwürfen, Urteilen und Lebensregeln, rauben ihr den Schlaf und nähren geschickt und effektiv ihre Selbstzweifel und Versagensängste.

Angesprochen und debattiert wird in dieser Rollenprosa alles Mögliche und Unmögliche, das der Ich-Figur als Schriftstellerin, Mutter einer halbwüchsigen Tochter, kritischer Konsumentin und überforderter Zeitgenossin begegnet und durch den Kopf geht. Sie ärgert sich über die Feuilletonbeilagen, ihren alten Kater, die Marotten ihrer buddhistischen Freundin, kämpft mit Schreibblockaden, Motivationsdefiziten, ihrer Unfähigkeit, das Rauchen aufzugeben oder das Fitnessprogramm endlich durchzuziehen. Das kommt leichtfüßig daher und vieles ist überzeugend ineinander verwoben. So ungeschönte Berichte über das Altern, den Verlust an Energie und Begeisterungsfähigkeit oder über das Prekäre am Zusammenleben einer "wechseljährigen Mutter" mit der pubertierenden Tochter bekommt man selten zu lesen. Wie stets sind dabei autobiographisch motivierte Realien hineinverwoben. "Habe ich alle meine Geheimnisse preisgegeben?" - fragt die Autorin im kursiviert abgesetzten Nachspann des Buches und hebt damit den Zeigefinger gegen eine allzu simple Verrechnung von Rollenprosa und Autoren-Ich.

Trends und Moden

Schreiners unverwechselbare Stärke liegt in der mit feiner Klinge betriebenen Demontage zeittypischer Trends und Moden. Ihre Ich-Figur steht nicht über diesen Einflüsterungen, sie erliegt ihnen, tappt in alle vom Zeitgeist aufgestellten Fallen und demonstriert mit ihrem schonungslos präsentierten Scheitern die Absurdität all dieser Versprechen auf Erfolg, Schönheit und ein gelungenes Leben. Die vietnamesische Glückslampe wird den Depressionen und Panikattacken kein Ende setzen, ob sie nun energieflußmäßig am rechten Ort hängt oder nicht. Das freilich kann die Erzählerin nicht mehr nachprüfen, weil sie ihre "Feng-shui Bücher nach einer großen Ausmistaktion a la Feng-Shui" entsorgt hat.

Ausschlaggebend für Lebensprägungen sind nun einmal ganz andere Dinge, zum Beispiel die soziale Herkunft. "Ein Schloss als Kind genügt, um sich ein Leben lang nie mehr bedrängt zu fühlen." Oder die tagtägliche Erfahrung, wie aus jeder Gesprächsrunde sofort eine Männerrunde wird, wenn mehr als ein Mann mit von der Partie ist.

Kein U für ein E

In der Beobachtung von Alltagsverhalten und Alltagsgesten ist Margit Schreiner kaum zu übertreffen. Wer findet es schon bedenkenswert, dass "in den damals inhaltlich beschönigenden Filmen die Natur in einer unbeschönigten Weise vorkommt, hingegen in den neueren Filmen, die inhaltlich sozusagen enorm aufklärerisch sind, die Natur geglättet worden ist"? Nur unbotmäßig vor sich hinwuchernde Hecken und Stauden gehen heute nicht mehr als "wilde Natur" durch, das muss schon etwas aufgeräumter daherkommen. Solch kleine Wahrnehmungsverschiebungen sind nie ohne tiefere Bedeutung - sie zu sehen und richtig zu lesen gehört eben auch zu den Zuständigkeiten der Literatur, wo sie uns kein U für ein E vormachen will.

Haus, Friedens, Bruch

Von Margit Schreiner

Verlag Schöffling & Co., Frankfurt 2007. 247 Seiten, geb., € 19,50

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