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TürlcentallaJc

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Ich entwarf die Ballade fast gleichzeitig mit den ersten Szenen des Romans „Graf Reichard, Held und Heiliger“ im Stil der alten Soldatenlieder des ausgehenden 17. Jahrhunderts. Die Einzelheiten über die Schlacht von Szalankamen, die ich in das erste Gedicht verwoben habe, sind teilweise wenig bekannt. Ich schöpfte sie meist aus den prächtigen Photogrammen, die mir Dr. Emil Winkler, vormals Direktor des Kösel-Verlages, jetzt Besitzer des Roma-Verlages in Nürnberg, aus der Münchner Staatsbibliothek sandte. Diese waren nach seltenen Flugblättern und Einblattdrucken der Zeit aufgenommen. Auch einige interessante alte Werke über die Türkenkriege um die Wende de 18, Jahrhunderts verschaffte mir Dr. Winkler. Aus den Dat Stellungen geht hervor, daß die Leiche Kö-prülüs nicht gefunden wurde. Wer ihn getötet hat und damit den Sieg des christlichen Heeres entschied, ist nicht bekannt. Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß diese Waffentat von Reichard Starhemberg gesetzt wurde und daß sie ihm das Leben kostete. Was ich in der ersten Türkenballade kurz und dann im Roman ausführlich erzähle, ist meine Dichtung, aber es ist möglich, daß sich die Ereignisse so abgespielt haben, wie ich sie in der Inspiration sah.

Habt ihr von Szalankament vernommen,

50.000 Christen seind ins Feld gekommen,

Türken 130.000 Mann.

Unser Markgraf führte die Armata, doch des Heeres Krön und Kraft und Fata führt Graf Guido Starhemberger an.

Als der 19. August tat tagen, unser Markgraf ließ Reveille schlagen, und zur Feldmess' er befahl das Heer. Knien sah man vieltausend Katholiken, aber auch, wie sich's im Feld will schicken, Dissidenten, Holl- und Engelländer.

Als der Phöbus fuhr in Himmels Mitten, ward Attack' marschieret und geritten wider Köprülüs verschanztes Nest. Türken brechen da hervor in Schwärmen, ordnen sich zur Schlacht mit ries'gem Lärmen, den man höret bis nach Budapest.

Voller Mut und Wut die Türken brannten, Pfeile und Kartätschen sie entsandten und ihr Feldruf war: La illa ll Allah! Mit Granaten, Pomben wir erwidern, und der Feldruf von uns teutschen Brüdern war: Jesus, Maria, Patria!

Gen'ral Graf Guido führt Alt-Starhembergs

/ Scharen, Treffer bis nach Györ zu hören waren, Türken sah man fallen nah und fern. Doch da wankt der Graf — zwei Pfeile sitzen ihm in Brust und Wang mit gift'gen Spitzen. Schwarze Nacht bedeckt die Augenstern.

Und er rief, von Finsternis bezwungen: „Geht! Holt Reichard Starhemberg, den jungen, der im ersten Treffen tapfer steht. Sagt, ich b i 11' ihn, daß er kommandiere, seines Vaters Bann zum Siege führe, Hungarn rette für die Majestät.“

Hei, Graf Guido, brauchst nit lang zu bitten! Wie ein Sturm kommt Reichard angeritten. „Ich bin da, Herr Vetter, sorgt Euch nicht.“ Und schon sprengt er an der tete der Mannen, hochgezückt das Heldenschwert, von dannen, wie der Engel stürmt zum Weltgericht.

Recht und link die Türkenfront durchbricht er. Sein Schwert Lentia wirbelt das Gelichter um und um in tollem Waffentanz. Seht, schon ist das Zentrum aufgeblättert; Reichards Lentia tötet, wettert, schmettert in den Staub der Türken Glück und Glanz.

Ha, ein Tag, wie der noch niemals tagte. Mancher Türk verzagt, der niemals zagte, da nun Reichard kämpft zum Serdar sdch Köprülü auf falbem Berberrosse staunt: „Dich zeugte Starhemberg der große. Bist du aber mehr als Mensch, so sprich!“

Reichard sich mit stolzer Anmut neigte. „Herr, du sagst es; Starhemberg mich zeugte, Adler flog ich von des Adlers Nest. Köprülü, dein Leben ich begehre, fällst du, so zerfallen deine Heere, Christus siegt, und Hungarn ist erlöst.“

Spricht Köprülü, Reichards Glut zu dämpfen: „Junger Mensch, mit dir will ich nicht kämpfen. Bin ein Greis; such schärfren Gegner dir!“ Reichard zürnt:-„Ist so dein Mut beschaffen? — Schau, ich hab' dies Schwert — du mehr der

Waffen; brauch dich ihrer! Auf zum Kampf, Vezier!“

Schwer den Seymitar der Serdar führet, mit Bedacht visiert er und parieret, daß er jenen Engel nicht verletzt. Doch schon hat der junge Held dem alten abgehaun die Handdie Stirn gespalten, die des Kreuzes Fall sich fürgesetzt.

Seht, so ward die Türkenmacht zerrüttet. Siebzehn Ordas fliehn, die letzte wütet gegen Starhemberg, der das getan. Speerdurchstochen, pfeilgetroffen, sinkt er. „Teutsche Brüder“, noch im Falle winkt er, „stürmt und siegt, ich sterb als teutscher

Mann.“

Und wir siegten einen Sieg ohngleichen. Aber Reichard, todwund unter Leichen, sieht das Werk nicht mehr, das er vollbracht. Weh uns, weh, daß wir ihn nicht gefunden, daß er von Kuruzzen, diesen Hunden, ward erspäht und abgeschleppt bei Nacht.

Auf das Schiff Köprülüs sie ihn brachten. Chalil, den die Begs zum Serdar machten, ließ ihn tragen in das Feldherrnzlt. „Bismillah, die Schlacht ist nicht verloren! Dieser Knab, aus Fürstenblut geboren, soll uns schaffen fürstlich Lösegeld.“

„Hör, Jung Starhemberg! Willst Ranzion uns werben,

Hungarn uns vom Kaiser, oder sterben, nackt gepfählt, für des Köprülü Tod?“

Fiebernd sprach der Held: „Gott lasse m.ch verderben, würd ich Hungarns Judas! Zehnmal lieber sterben, nackt gepfählt, für des Köprülü Tod.“

Wißt ihr's wohl, wie tief die Donau gründet? Wißt ihr, daß der volle Mond verbündet, Sieht er sich der Ljubigaja nah? Sturm erhebt sich, peitscht des Schiffes Rippen, als es hart sich müht entlang der Klippen donauabwärts gen Silistria.

Aber hört! Was kombt durch Wind und Wogen nachgezogen dort, nein, nachgeflogen? Ist der Marschall Stahrmberg nicht in Wien? — Doch das Hornsignal läßt keinen Zweifel — zittern läßt es in der Holl die Teufel, zittern auf dem Schiff die Moslemin.

Seinen Stab ruft Chalil schnell zusammen, spricht: „Der Marschall Starhmberg wird uns rammen, doch den Sohn bekombt er lebend nicht. Bringt den jungen Obrist, reicht ein Messer; in den Busen stoß ich ihm das Messer, für Köprülüs Tod half ich Gericht.“

Als ins Heldenherz der Mordstahl tauchte und das Heldenblut gen Himmel rauchte, schüttert jäh das Schiff vom Deck zum Heck, denn schon ließ der große Graf die Eisen in des Türkenschiffes Flanken schmeißen und beschritt das feindliche Verdeck.

„Chalil, hier ist der, der Wien beschirmte, als es euer Mustapha bestürmte. Sag, wo ist mein Sohn, mein Augenlicht?“ Chalil lügt: „Er schläft schon seit drei Stunden dort im Zelt, wir pflegten seiner Wunden. Tritt hinein, doch leise, weck ihn nicht!

Furchtbarlich des Vaters Schrei ergellte, als er den Entseelten fand im Zelte; also brüllt der Leu in Schmerz und Zom. Doch schon hat sich Chalil mit den Bassen in ein schnelles Boot hinabgelassen und entfleucht im Sturm zum Goldnen Horn.

Seinen Sohn, den er gebebt von Herzen, lang sah Starhemberg ihn an mit Schmerzen, legt die Hand auf seine Herzens wund! „Muß ich so, mein Kind, dich wiederschauen, dich, den mir die Krone aller Frauen ernst geschenkt in meiner schönsten Stund!

Dreimal saß am Fenster mir der Rabe, dreimal träumte mir von deinem Grabe, heimlich ich verließ mein Donauschloß, kam nach Hungarn wider Casars Willen, kam zu spät, auch nur dein Blut zu stillen das für Christus, das für Hungarn floß.

Soll ich in die Gruft nach Eferdingen dich, mein Kind, in Glut des Sommers brinoen, daß Verwesung dich am Weg zerstört?

Soll ich dich in Feindeserde bergen, hier, wo Polikaden in den Särgen

Schätze suchen, gottlos unerhört?

Auf dem Schiff sah ich Köprülüs Leiche, die dein Schwert, das reine, ehrenreiche, niederhieb im harten Männerstreit. Du, der größte Christ, der größte Heide er; die Mutter Donau berg' euch beide tief in ihrem Schoß, den du befreit.“

Seinem Sohn gab er den Vatersegen; betend seine Lippen sich bewegen, drauf der Serven Schiff er rasch beschritt, und befahl den Serven, ihre Ankereisen aus des Mörderschiffes Bauch zu reißen, drei der Eisen und drei Bohlen mit. i

Und der Strom ergriff das Schiff mit Brausen und der Sturm mit Orgeln und mit Sausen; irr im Zelte noch das Lämpchen glüht. Und die 'Felsen, die gen Himmel türmen, Chorobem, die um die Felsen stürmen, singen, jauchzen Reichards Totenlied:

„Reichard, größter Sproß des großen Ahnen! Reichard, hellster Stern in Habsburgs Fahnen! Reichard, Ritter, Retter, sei gegrüßt! Der den neuen Mohammed erschlagen, der das Kreuz durchs Eiserne Tor getragen, Reichard, Engel, Heil'ger, sei gegrüßt!“

Als das Schiff zum Wirbel ward gerissen, oh, dem Grafen hat's das Herz zerrissen, doch er betet, schweigt, bekreuzt sich groß. Sieht das Schiff im Kreis sich drehn und sinken, sieht es trinken, sieht sein Kind versinken in der Perigrada Wogenschoß.

Aus dem Werk „Graf Reichard, Held und Heiliger“, Erscheinungsterman Herbst 1950. Bernina-Verlag, Klosterneuburg-Wien.

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