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Und jetzt ein Musical

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Nein, bitte nicht noch einen medialen Aufguß aus Tränen und Quotenspekulation! Wird sie denn auch künftig nicht in unbe-grapschter Erde ruhen können, die unglückliche britische Prinzessin in ihrem Inselgrab! Eine ganze gefühllose Welt, eine mit dem Image der Kälte befrachtete Nation hat an ihrem Tod ein gefühlsstarkes Herz entdeckt. Auch wenn die Medien mithalfen: das war weder angeordnet noch eingepeitscht. Die Feder des Zynikers ehre sie mit einer Schweigeminute! Auch Publicity lehrt manchmal beten.

Obwohl die Medien des traurigen Anlasses, der Verurteilung der Sündenböcke und der Hintergründe seitenweise voll waren, ist noch nicht alles gesagt. Nicht nur fehlt zum Beispiel die Information darüber, wann und wo jener unglückselige Chauffeur begraben wurde, dessen ausgelöschtes Leben immerhin auch ein menschliches war. Die eirjen stehn im Dunkel, die andern stehn im Licht... Die Strophe bezieht sich wohl nicht bloß zufällig auf eine andere Geschichte in England.

Der Stoff ist also noch nicht ganz komplett, aber er wird es schon noch werden. Denn wenn nicht alle Ahnungen trügen, so ist das Leben der Prinzessin Diana genau der Stoff, aus dem erfolgreiche Musicals sind. Nach Evita Peron und Kaiserin Sissy lechzen Bühne und Film längst nach neuen Frauengestalten. Eine Lordstochter und Kindergärtnerin-, die Prinzessin und Volksheldin wird, mit allen Stadien von Liebe, Konflikt, Hofintrige, Humanitätsaktion, Medienrummel, tragischem Tod und Triumphbegräbnis - da ist noch alles „drin”. Die Szenen drängen sich direkt auf: die Traumhochzeit und der Chor der Pa-parazzi, die Liebesgeflüster und die böse Schwiegermutter, die Bivalin und der Geist der Untreue, der neue Liebhaber und die Todesfahrt. Der Tanz der Krüppel und der Gang übers Minenfeld, wenn das nicht musikdramatisch ist! Don't cry for me, Britannia! Pietätlos? Heute schon, aber morgen? Wer sichert sich zuerst den Titel „Königin der Herzen” oder „Die Bose Britanniens”? Immerhin gilt es flink zu texten und zu komponieren. „Cand-le in the Wind” von Elton John wäre schon unter Wahrung aller Bechte miteinzubauen.

Der Boulevard ist ein starker, wenn auch nicht verläßlicher Bundesgenosse. Wer weiß, was morgen passiert und wonach die Lesermeute, die heute die Sensationsmacher verachtet, schon wieder giert? Kultur also im Wettlauf mit Zeit und Zeitgeist. Ist es nicht das, wonach Begisseure rufen und worauf moderne Intendanten zählen?

Ob der wegen des werbeschädlichen Autowracks etwas zerknirschte Konzern als Sponsor zu gewinnen wäre, ob etwa das Verwischen des prestigeträchtigen Sterns im Bühnenbild eine Bedingung dafür wäre, das steht noch in den wirklichen Sternen. Für die britischen Nobel-Automarken wäre das Sponsoring andererseits eine Chance. Seht her, wir waren's nicht! Auch ist die

Frage, ob etwa die als Evita würdige Madonna als Lady Di zu akzeptieren sei, derzeit eine vorschnelle Spekulation.

An den Sammlerbörsen steigen indessen die Preise der Diana-Devotio-nalen in unermeßliche Höhen - und so mancher, der vielleicht aus sozialem Empfinden bei der Kleiderversteigerung in New York eine der Lady-Bo-ben erworben hat, sieht sich nun im Besitz einer teuren Kostbarkeit. Die Kostümbildner werden diese Textilien kenntnisreich fürs Musikal nach-schneidern. Denn auch Kleiderpracht muß selbstverständlich sein.

Mögt ihr mich auch heute für solch ausufernde Zilkunftsphantasie steinigen, am Ende werde ich besser getroffen haben als manche Wirtschaftsprognostiker. Nach den Premieren in London und New York, nach der Gala in Paris gibt es nur noch eine Unsicherheit: Im Theater an der Wien oder im Bonacher. Und bitte womöglich ohne Defizit!

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