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WASSILI AXJONOW / ZORNIGER JUNGER MANN DES OSTENS

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Ist Jewtuschenko wohl der populärste Lyriker unter den jungen sowjetischen Schriftstellern, so ist Wassili Axjonow einer der beliebtesten Erzähler dieser Generation, die vor einem Jahrzehnt im Zeichen des „Tauwetters“ und der Jugend zu einem Protest gegen überholte Scha blonen, extensive Zensur und diktatorische Allüren einiger weniger, stalinistischer Kultur - dogmatiker aufgebrochen ist. Wassili Axjonow besucht für zehn Tage Österreich: sein Besuch zeigt, daß es zwischen der UdSSR und Österreich mehr Möglichkeiten für fruchtbare Kontakte gibt, als bloß wirtschaftliche und politische Anliegen.

Axjonow ist Jahrgang 1932. Er wurde in Kasan geboren, studierte in Leningrad Medizin, approbierte 1956 und arbeitete anschließend in einem Dorf kran- kenhaus am Onegasee. Er spezialisierte sich als Lungenfacharzt und übersiedelte 195S nach Moskau, wo er gegenwärtig seinen ständigen Wohnsitz hat. Schon während des Studiums schrieb er Skizzen und Erzählungen. Sein schriftstellerisches Talent hat er vielleicht von seiner Mutter geerbt, die als freie Journalistin in Lemberg arbeitet.

1959 erschienen in der Zeitschrift „Junost“, in deren Redaktionskollegium er später aufgenommen wurde, die ersten beiden Erzählungen Axjonows, 1960 wurde sein erster Kurzroman

„Die Kollegen“ veröffentlicht. Dieses Werk, das im Milieu junger Ärzte spielt, brachte ihm den Durchbruch; er wurde zum Lieblingsschriftsteller der Jugend. „Die Kollegen“ wurde auch verfilmt und für die Bühne bearbeitet und gelangte auch in Paris zur Aufführung. Auch seine weiteren Werke (die Romane „Fahrkarte zu den Sternen“, „Apfelsinen aus Marokko“ und „Es wird Zeit, mein Freund" sowie das Schauspiel „Zeitgenosse“) beschäftigen sich vor allem mit den Problemen der Jugend.

Besonders beeinflußt bezeichnet sich Axjonow von den russischen Klassikern Tschechow, Tolstoi und Dostojewski, von Hemingway und Faulkner und — was er besonders betont — von den sowjetischen Schriftstellern der zwanziger Jahre, von Babel, Mandelstamm, Biljak und Belji; es sind dies die Schriftsteller, die einen Aufbruch zu neuen Ufern einleiten wollten, einen Aufbruch, der dann dem Eishauch des Stalini smus (des „Personenkultes“) zum Opfer fiel. Erst in den letzten Jahren haben Autoren wie Jewtuschenko und Axjonow den Mut und die Möglichkeit, an die Bahnbrecher der zwanziger Jahre wieder anzuknüpfen. Besonders aber hebt Axjonow seine geistige Verbundenheit mit den „zornigen jungen Männern“ des Westens hervor, die ihre Absage an die Flachheit zahlreicher „Errungenschaften“ der Zivilisation in Kunst umsetzten.

Es ist klar, daß ein zorniger junger Mann wie Axjonow den Widerstand mancher östlicher Kulturbürokraten hervorrufen muß. Kritisiert wird, daß er seine Sprache direkt aus dem „Slang“ der sowjetischen Jugend nimmt, vor allem aber, daß seine Helden nicht mehr den „positiven Helden“ gleichen, wie sie vor noch nicht langer Zeit Pflicht waren. „Wir dürfen nicht vergessen, daß der Held ein lebendiger Mensch mit der ihm eigenen psychischen Dynamik sein muß. Der Mensch ist nicht nur eine gesellschaftliche Erscheinung..." —

dieses Bekenntnis Axjonows läßt sich wirklich nur schwer mit dem Menschenbild des Marxismus-Leninismus stalinistischer Interpretation vereinbaren.

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