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Weihnachtliches Triptychon

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Wir haben Dich kommen sehn.

Deine Mutter trug Dich unter dem blauen

Mantel der Armut verborgen.

Aber wir schlössen uns zu.

Wir haben Dich bitten hören.

Deine Mutter tat es mit schweigendem Munde,

wie es die Armen tun.

Wir aber waren gerade beschäftigt.

Denn wir gaben

unseren Freunden ein Fest mit brennenden Kerzenbäumen. Wir tranken aus funkelnden Gläsern auf eine Fröhliche Weihnacht!

Dann erst

sahen wir Deinen Stern — aber nicht über uns.

Er lag über einem elenden Winddach.

Die Schafe standen darunter. Die Nacht war sehr kalt.

Dort

hast Du die Erde berührt. Dort hast Du die ersten Schreie der Menschlichkeit zwischen wärmenden Rindern vergraben.

S i e waren Dir gute Gefährten. W i r schlugen die Türen vor Deinem Angesicht zu und blieben ganz in uns selbst.

Nur:

die Weihe der Nacht war bei Dir, nicht bei uns. Man empfängt sie ja nur so: kniend und losgelöst von sich selbst.

So haben wir Dich versäumt. — Kannst Du nicht

noch einmal an unseren Toren vorübergehn, dah wir Dir auftun — wir wissen jetzt, wer Du bist —

und dann segne auch uns

mit jener lichtesten Hoffnung der Welt

(denn wir brauchen sonst nichts):

Dah Dein Friede, Christ, über uns seil

Hinter allen Wegen stöhn Krippen;

Die Herbergspforten siÄd lang schon zu.

Weinende, blasse Kinderlippen

singen nun Regen und Nachtwind in Ruh.

Denn hinter den Städten der Menschen sind Ställe —

Ställe, gebaut aus: Armseligkeif.

Sie leben nur scheu aus der winzigen Welle

des wärmenden Blicks kleiner Brüderlichkeit.

Die Welt aber stirbt an versperrten Türen und hungert im eig'nen gesicherten Haus. Die schweigenden Ströhen der Ewigkeit führen ja nur zu den armen Ställen hinaus -i-

Denn dort ist der Stern. Ueber den trüben Dächern der Not ist er aufgewacht '

und ist in den Tränen stehen geblieben. Immer aus Bitternis wächst: Heiligste Nacht —

Immer am Rand nur der Zeit wird das Hoffen aller Geschlechter geboren: ein Kind hält uns die Tore der Herrlichkeit offen, wenn wir nur voll guten Willens sind!

Nicht in Palästen bist Du uns geboren, nicht Glanz und Gold umgibt Dein dunkles Haupt. Nur an dem Weg, wo elend und verstaubt und ungeschaut und müde und verloren

ein Armer, ein Verlass'ner, vor den Toren der aufgeblas'nen, eitlen, lauten Welt als einz'gen Schatz nur seine Tränen zählt, da bist auch Du. Da bist Du uns geboren.

Du schreist nicht laut, dah Du der Heiland bist — Du malst Dein Bild nicht grell an alle Wände und zwingst Dein Wort uns nicht ins Angesicht.

Aber in stillen Nächten wirft Dein Licht noch immer über Bethlehem die Feuerbrände der Ewigkeif, die uns bereitet ist...

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