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Keine Dichtung, aber ...
Keine Dichtung, aber ein Stück, über das man nachdenken kann, ist Robert Nathans Komödie in vier Bildern „Der Mann der Dame J e s a-bel“, die jetzt in der deutschen Uebertragung von M. Schweinitz im Kleinen Theater im Konzerthaus gespielt wird. Der Mann der Dame Jesabel, das ist der Prophet Jona. Einstmals wurde er vom Wal verschlungen und konnte die Stimme Gottes hören; jetzt ist er reich geworden und obliegt auf besonderem Wunsch des Königs fallweise seinen „Pflichten als Prophet“. Er ist arriviert, seine Frau managt ihn, gibt ihm Tips, aber. . . Gott schweigt. Er hört seine Stimme nicht mehr. Doch aus staatspolitischen Rücksichten, um das Volk zu be-rt'higen. vielleicht auch aus bloßem Opportunismus, prophezeit er weiter; das, was der König verlangt.Erst der Einbruch der Assyrer und die einfache Klarheit Judiths, seiner Jugendfreundin, die er wiedersieht, lassen ihn zu sich selbst zurückfinden; für Tiglath Pileser wird seine Frau Jesabel prophezeien. Das Stück Nathans enthält keinen echten Konflikt, denn es besteht niemals eine wirkliche Notwendigkeit, auch dann Prophet sein zu wollen, wenn Gott keinen Auftrag dazu gegeben hat, und das Volk zu beruhigen, indem man ihm weismacht, Gott liebe es, wenn in Wahrheit der Herr sein Antlitz längst in Zorn verhüllt hat; auch wenn es „nur ein paar Worte“ sind, ist es schon Schuld. Die Bedeutung des Stückes liegt anderswo. Die Prophetengabe steht hier für jede Begabung, die wir mitbekommen haben; in diesem Sinne ist jeder von uns ein Prophet. Und diese Begabung dürfen wir nie mißbrauchen, nicht einmal aus Liebe oder Not, und wir dürfen nicht prahlen mit ihr. Ein „selbstzufriedener“ Prophet ist ein Unding; der „Erfolg“ seiner Prophezeiungen ist eine Fügung Gottes, nicht eigene Leistung. Robert Nathan hat für das, was er sagen will, den rechten Ton gefunden; er kann Schwieriges so leicht sagen, als ginge es um ein Baseballmatch und nicht um die Bibel. Er läßt seine Figuren Redensarten unserer Tage verwenden, um sie uns menschlich nahezubringen, begreiflich zu machen. Eine ausgezeichnete Aufführung unter der Regie von Otto Ambros: Großartig und vielschichtig, verhalten und gewichtig Peter Gerhard als Prophet Jona; von schlichtem Leuchten Evi Servaes als Jugendgefährtin Judith; von unruhigem Tatendrang erfüllt Carl Heinz Friese als junger Prophet Micha, der eben erst aus der Wüste kommt.
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