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KEINE FREUDE AN BÜCHERN

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Als ich vor einigen, Monaten, nach langer Zeit wieder einmal, meinen alten Freund Giselher, der nach Mantua geheiratet hatte, oufsuchte und ihn nach seiner alten Leidenschaft für Bücher befragte, da hatte ich wahrlich nicht erwartet, was ich zu hören bekam. Als einen Beitrag zur Absatzkrise des Buches glaube ich diesen Notschrei einer gequälten Seele einem gröberen Auditorium nicht vorenthalten zu dürfen.

„Früher”, begann er, „ja, damals vor zwanzig Jahren, als Arminia meinen Namen Giselher noch zärtlich aussprach, da fanden wir uns in der Zeit, die uns die Liebe übriglief , gern in der erregenden Welf der Bücher. Wir besprachen miteinander, was wir lasen, und daf unsere Ehe ein gutes Fundament hatte (hatte, bitte sehrl), verdankter wir gewifj diesem Zauber fremder Phantasien, diesen Abenteuern, in die wir unsere 'Seele schickten, und dieser steten Erziehung durch feine Geister, der wir uns durch die Lektüre unterwarfen.

Aber schon bald nach der Hochzeit, als wir zwei Töchter aufzuziehen begannen, war es anders geworden. Ich hafte mich der häuslichen Wirtschaffsgewalt Arminias ergeben. Meinen Freunden, die auf bedrucktem Papier zu mir kommen, war ich treu geblieben, aber Arminia hafte plötzlich andere Sorgen, Ich wäre nicht Giselher, wenn ich nicht trotZ- dem immer etwas Geld aufgetrieben hätte, um einige von ihnen nach Hause zu bringen. Arminia aber, die doch früher auf das erste reine Blaff ihrer Geschenke ,Dem Bücherfreund zur Freude' geschrieben hatte, bezeugte nun ihren Unwillen für ,unnötige Ausgaben'. Ich verschwieg deren wahre Höhe und erfand einen Antiquar, der mir aus purer Zuneigung die neuesten Bücher antiquarisch verkaufte und antiquarische fast schenkte. Aber ich habe nie erfahren, ob Arminia mir das glaubte. Eines Tages stellte sie mir und unseren beiden Töchtern, die schon lieblich herangewachsen waren und immer Hunger hatten, vier neue Bücher auf den Tisch, die ich am Vortag nach Hause gebracht hatte, und rief triumphierend: ,So, da könnt ihr jetzt herunferbeihenl' Meine Töchter, die immer brav zu mir hielten, begannen wirklich an den Bucheinbänden herumzuknabbern, so dal Ich ihnen die Bücher mit Gewalt entreißen muhte.

Solche Spiele ergaben sich im Laufe der Zeit immer wieder, Komödien wurden zu Tragödien. Meine Vorliebe für die Franzosen verhöhnte sie, indem sie die Namen falsch aussprach. Später nannte sie keine Namen mehr und wollte nicht einmal wissen, ob der Autor noch lebe — ein solcher hafte von vornherein wenig Chancen für eine gute Beurteilung. Ich konnte ihr öfter an Hand einer Kritik, eines vortrefflichen Waschzettels nachweisen, wie großartig dieses oder jenes Buch sei. ,Was schreibt man nicht alles zusammen', sagte sie, .besonders diese Waschzeftelfabrikanteni' Gestern habe die hübsche Verkäuferin in der Drogerie einen Liebesbrief erhalten, der ihr so gut geschrieben schien, daf sie ihn allen ihren Kunden vorlesen muhte. .Aber, Arminia', antwortete ich, ,der hat doch gewif nichts mit den Versen Paul Valėrys zu tun, die ich gekauft habe, schau her!' — ,Ach', erwiderte sie hierauf, .Valėry in Ehren, aber wenn du einmal einen so netten Liebesbrief geschrieben hättest! Die ganze Kundenschar hat Tränen der Rührung vergossen.'

Nach einiger Zeit sprach ich nicht mehr von meinen Anschaffungen. Ich brachte die Bücher in der Aktentasche nach Hause. Aber sah sie verbeulter aus als sonst, mut fe ich Gefahr laufen, als Schmuggler mit meiner Konterbande entdeckt zu werden. Ich stellte sie rasch in einen Winkel. Während ich beim Abendessen sah, hatte ich keine ruhige Minute. Freilich war Arminia eines Tages auch dahintergekommen. Ich schämte mich, angesichts zweier so mutiger Kämpen wie Silone und Malaparte gescholten zu werden. ,Was du immer zusammenkaufst', äufjerfe sich mein Weib indigniert, ,der eine steht auf dem Index, und von dem anderen erzählf man sich, daf er kleine Kinder gegessen hat.' — .Aber, Arminia, das ist doch alles nicht wahr', sagte ich. — .Ich glaube es', erklärte sie. .Bald wirst du auch das Fleisch deiner verhungerten Gattin und deiner Töchter aufessen.' Was sollte ich erwidern? Nun, da das Leben meiner Töchter auf dem Spiele stand, schienen auch sie zur Mutter zu halten. ,Du hast keinen Geschmack mehr', warf mir Arminia vor. Und Klementine, die sonst die Milde selbst war, fügte fragend hinzu: .Muffer, hat er je einen gehabt?' Aber mein aufgewecktes Puzzelchen Brimbilla rettete wieder rdie verfahrene: Situation, es JJöiete: ,Wiqsg hasf .du ihn geheiratet, Mutter?

Wie werde ich es riuri ansfeilen? Allen'Freunden und Verwandten bringe ich .nun . Bücher ins -Haus. Sie müssen sie mir,-wenn sie zu Besuch Kommen, als Geschenk überreichen. Arminia kommt dabei nicht gut weg, ich weifj es. Aber wie soll ich noch zu Büchern kommen? Meine Gattin Wird die freundlichen Spender bald nicht mehr einladen. Wird mir denn jemand sagen können, wie ich's anfangen soll?”

So schlof mein armer Freund seine Rede. Ich konnte ihm auch nicht helfen.

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