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Reporter des Augenblicks

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AUGENBLICKE UNTERWEGS. DEUTSCHE REISEPROSA UNSERER ZEIT. Ausgewählt von Heinz Piontek. Verlag Hoffmann & Campe, Hamburg 1968. 398 Seiten.

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AUGENBLICKE UNTERWEGS. DEUTSCHE REISEPROSA UNSERER ZEIT. Ausgewählt von Heinz Piontek. Verlag Hoffmann & Campe, Hamburg 1968. 398 Seiten.

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„Erinnerte Landschaft“ lautet der Titel eines Zyklus von Gedichten im Band „Die Rauchfahne“ von Heinz Piontek. So ist es kein Wunder, wenn viele Verse und Prosastellen Pion- teks dem Naturerlebnis verpflichtet sind. Und wie er schon in der Anthologie „Deutsche Erzählgedichte“ nachgewiesen hat, daß das Erzählen auch im modernen Gedicht seinen Platz findet, so zeigt er hier, daß auch die Naturschilderung absolut nicht zu den Nebenprodukten moderner Dichter gehört. Die Fülle der Texte macht erstaunen. Und es ist gut, diesen Tatbestand einmal ausdrücklich ins Bewußtsein zu heben. Das Zeitalter des Tourismus hat sich nicht nur in Prospekten und Reiseführern, eventuell noch Feuilletons, ausgedrückt, sondern auch in literarischer Prosa, an der ebenfalls abgelesen werden kann, welchen Geistes Kind es ist. Das intelligente Nachwort des Herausgebers versteht das zu explizieren. Es hat keinen Sinn, Anthologien nun nachzuweisen — was bei Kritikern immer beliebt ist —, was oder wen sie vergessen haben. Wir stimmen dieser Bemerkung zu und versuchen lieber, die Intention dieses Sammelbandes darzulegen. Die „erinnerte Landschaft“ wird präzisiert auf den Titel „Augenblicke unterwegs“.

Der Augenblick ist ein Stichwort unserer schnellebigen Zeit und ihrer schnellen Reisen. Wie er trotzdem von großer Intensität, persönlichen Beteiligtseins, nach Krolow „auf ein paar Herzschläge zusammengepreßt“, zu einem erfüllten Augenblick werden kann, zeigen die Textbeispiele nicht nur inhaltlich, sondern, was ihren besonderen Reiz ausmacht, auch in ihrer formalen Vielfalt „schöpferischer Sprachleistung“. Kafka, Hofmannsthal, Benn, um drei markante Namen Verstorbener zu nennen, gesellen sich zu Ingeborg Bachmann, Martin Walser oder Gabriele Wohmann. Erfüllung heißt hier keineswegs Abgeschlossenheit, sondern Intensität der Erinnerung, in lyrischem Empfinden oder kritischer Exaktheit, in rauschhaftem Rhapsodieren oder kühl objektivierendem Ausdruck, in aphoristischer Causerie oder problematisierendem Schreiben, aus freiwilliger Reiselust oder auf unfreiwilligen Reisen der Kriegs- und Nachkriegszeit. Die Zeitgeschichte wie das Schicksal der Dichtung ersteht aus diesen Augenblick-Steinchen zu einem Mosaik unseres Jahrhunderts. Es ist erstaunlich, wie ausgezeichnet es Piontek gelingt, gerade von dieser .Seite, seine Zeit zu fassen. Dank an den Autor.

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