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Wienerisches in Literatur und Fernsehen

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H. C. Artmann vorstellen zu wollen, wäre müßig. Seine „schwoazze tintn“ ist ein hinreichend bekannter Bestseller, geht seit mehr als einem Jahr von Hand zu Hand, von Mund zu Mund, von — ja, man darf, wiewohl sich bei soviel Schwärze, Gift und Galle die Feder sträubt, vermerken: von Herz zu Herz. Artmann, der ungestüm dichterische Sänger, der so aggressiv und zart zugleich und laut und beißend, wie aber auch subtil und von stiller Poesie sein kann, ist entdeckt, populär, berühmt. Seine jüngste Lesung im Kleinen Konzerthaus- Theater der Josefstadt (in der unter der Leitung Friedrich Kaltinas Otto Schenk und Bruno Dallansky verdienstvolle Interpreten waren und Dr. Wieland Schmied pointierte einführende Worte sprach) diente der Ankündigung von Neuem und der Betrachtung von Aelterem, der Oeffentlichkeit weniger Bekanntem aus Artmanns Werk. Aus dem jüngeren Schaffen hörten wir ins Wienerische, in die bewährte „bradnseer tintn" übertragene Gedichte von Francois Villon: aus dem „großn destament' . Uebertragung ist nicht ganz das rechte Wort: es ist zu blaß, zu unverbindlich, cs vermag die tieferfühlte Ausdruckskraft dieser Nachdichtung, die poetische Verwandtschaft, die Originalität der Melodie und Wortwahl, mit der da eine kongeniale Wiederschöpfung an der Schöpfung sich bewährte, nur unvollkommen auszudrücken. Daneben gab es Prosa: vier kauzige, von vertrackt- barockem, an Herzmanovskys Phantasmagorien gemahnenden Humor gesättigte Geschichten aus „V o n denen Husaren anderen Seiltänzern": zuletzt zwei Szenen dramatischer Natur, aus dem scharfen, hintergründig satirischen, von Nestroys volkshaftem Spott durchtränkten Fragment „V o m Leben und, Sterben eines Greißlers".

Die jüngste Produktion des Oesterreichischen Fernsehens brachte Bernard Shaws seit mehr als fünfzig JaHfcn als Standardwerk des Unterhaltungstheaters bekannte (und überschätzte) Komödie „Pygmalion“ im Gewände einer österreichischen Novität: Hans Jaray und Florian K a 1 b e c k transponierten den äußeren Schauplatz und die innere Atmosphäre des Stücks in das Milieu der Fiaker, Backhendeln und der in den äußeren Bezirken blühenden Diktion der wienerischen Volkskomik. Das sehr berechtigte Verfahren, hinlänglich geglückt und der Femsehtechnik optisch angemessen, gewährt den Vorzug, daß diese Londoner Pflasterpflanze Liza Doolittle, die auf unseren Bühnen ein halbes Jahrhundert uneingedenk ihrer englischen Abkunft Wiener Dialekt sprach, nunmehr als „eingemeindete“ Lizzi Tullinger aus Favoriten den Ort der Handlung mit dem Gehalt des Stückes glaubhaft vereint — die angestammten Schwächen, den im Grunde recht unansehnlichen und abrupten Gang des Geschehens, vermochte die vorliegende Bearbeitung allerdings nicht zu meistern. Völlig unverständlich übrigens die Besetzung der (für das Stück so wichtigen und für seine Wiener Lesart ausschlaggebenden) Hauptrolle mit Maria Emo: Wenn schon einen wienerischen „Pygmalion", so dachte man, dann wohl auch ein echtes, glaubwürdiges Wiener Vorstadtgeschöpf — und nicht eine Schauspielerin, die sich recht mühsam durch einen synthetisch erzeugten Slang durchkämpfen muß. Dagegen (neben Hans Jaray, der auch die straffe Regie besorgte, Margarete Fries und Christi Erber) glänzend Egon Jordans Wienertum und vorzüglich Helmut Qualtinger in einer saftigen Randgemeindenstudie.

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