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Cimarosa— heute

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In einer sorgfältigen, unmanierierten Inszenierung durch den jungen Münchener Regisseur Wolfgang Weber, mit fünf freundlichen, pastellfarbe-nen Bühnenbildern von Gottfried Neumann-Spallart und geschmackvollen Kostümen von Erni Kniepert ist gegenwärtig in der Volksoper Domenico Cimarosas Buffa „Die heimliche Ehe“ zu sehen. Die neue handfest gereimte, von Banalitäten nicht ganz freie Übersetzung stammt von Dr. Marcel Prawy. Dank der sauberen Einstudierung und der temperamentvollen Leitung durch Argeo Quadri, vor allem aber dank der ansprechenden Besetzung herrschte in der Volksoper am vergangenen Freitag abend echte Premierenstimmung, die nur durch die Überlange des ersten Teils beeinträchtigt wurde. — Außerdem stand das Werk in Wien schon lange nicht mehr auf dem Spielplan. Die schauspielerische Virtuosität Karl Dönchs als Kaufmann Geronimo, der schöne Tenor Adolf Dallapozzas als Paolino, Claudio Nicolais in Spiel und Erscheinung nobler Graf, die Charakterisierungskunst von Jra Malaniuk als Fidalma (die lebenslustige Tante), vor allem aber Mary O'Brien als Elisetta und Judith Biegen als Carolina: das ergab ein Ensemble, wie man es sich kaum besser wünschen konnte, aus dem aber die Amerikanerin Judith Biegen, die während der kommenden Saison an der Met mehrere große Partien singen wird, um Haupteslänge herausragte (obwohl sie die Zierlichste des Ensembles ist). Sie besitzt eine ungewöhnlich schön timbrierte, gutgeschulte Stimme sowie eine erfreuliche Spielbegabung (jedenfalls für dieses Genre). Neben der sauberen Interpretation der Partitur durch da« Volksopernorchester muß die deutliche Aussprache aller Sänger besonders hervorgehoben werden. Bei genauem Hinhören erkennt man, daß Cimarosa zu Unrecht als Mozart-Epigone gilt. Als er seine 65 Opern schrieb, waren Mozarts große Opern in Italien noch unbekannt (sie wurden erst in den Jahren 1814 bis 1816 südlich der Alpen gegeben). „II matrimonio segreto“, die im „Nationaltheater“ in Anwesenheit Leopolds II. am 7. Februar 1792 einen so fulminanten Premierenerfolg hatte, daß die ganze Oper wiederholt werden mußte, wurde auch nicht in Wien komponiert, wie die Fama berichtet, sondern wahrscheinlich in Rußland, wo Cimarosa drei Jahre lang am Hof Katharinas II. geweilt hatte, oder auf der Rückreise während eines Aufenthaltes in Warschau. Jedenfalls traf Cimarosa nur wenige Wochen nach Mozarts Begräbnis in Wien ein und wurde hier hoch geehrt.

Begreiflich, denn er besitzt eine überaus gefällige, originelle Begabung, die uns heute mehr aus einzelnen Nummern des zweiten Teils mit seinen raschen Parlandi, dem drastisch charakterisierenden Orchesterpart und einigen besonders feinen lyrischen Ostinanti entgegentritt. Cimarosa, so stellte seinerzeit schon Hanslick fest (und hatte ausnahmsweise einmal Recht) verdankt der deutschen Oper gar nichts, Mozart der italienischen hingegen sehr viel. Was die beiden Meister verband, war eine Art heimliche Ehe auf Grund ähnlicher Talente. Ihr gemeinsamer (legitimer) Sohn aber ist Rossinis „Barbiere“.

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