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Kammermusik

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Wie sich Haydn und Beethoven mit der Kunst des Streichquartetts auseinanderzusetzen begannen, führte das Konzerthausquartett durch die Wiedergabe von Frühwerken dieser Art vor. Joseph Haydns Quartett C-dur, op. 9/1, inhaltlich noch kaum dem Divertimento entwachsen, weist formal bereits auf die Gleichberechtigung der vier • Spieler hin, die in der Folge eben zu der neuen Kunstform führte. Die unbeschwerte, leichtfüßige Komposition wurde ebenso interpretiert. Beethoven, der die fertige Form von Haydn übernehmen konnte, füllt sie sogleich mit expansiver Kraft, gleichsam mit autobiographischen Zügen. Mozarts Quintett KV 406, das den Abend beschloß, eine vom Komponisten selbst vorgenommene Bearbeitung seiner Bläserserenade KV 388, ist im Gegensatz zu den vorgenannten Frühwerken trotz düsterer Grundstimmung ein reifes Meisterwerk und (wie es im Programmheft hieß) „ ... niemals ganz zu ergründen“. Die Interpretation erreichte hier auch jene Rühe und

Hastlosigkeit, die den ersteren Werken nicht ganz abgestreift war.

Meisterwerke der Quartettkunst spielte das Musikvereinsquartett: Haydns ' op. 77, Nr. 1, Beethovens op. 59, Nr. 2 und dazwischen Maurice R a v e 1 s Streichquartett in F-dur, das man die Perle der neueren Entwicklung auf diesem Gebiete nennen kann. Es schillert und glitzert in allen Farben und Nuancen, hat volkstümliche Elemente des baskischen Landes, ist festlich und zart, fröhlich und melancholisch — und vor allem sehr klar und straff gebaut, impressionistisch und klassisch zugleich. Die Wiedergabe der drei Werke stand .auf gewohnt hoher Stufe, gleich anschmiegsam im stilistischen Feingefühl wie in der Intensität des Ausdrucks.

Julius P a t z a k, der seine Liederabende immer neu und einmalig zu gestalten weiß, setzte diesmal durch die Wiedergabe der „Lieder aus dem Tagebuch eines Verschollenen“ von Leos J a n ä c e k. sowie mit vier Gesängen von Bela B a r t 6 k seiner Interpretationskunst einen neuen Stil. Wenn Janäcek als der Finder der tschechischen Sprachmelodie gilt, ist dies in der Uebersetzung allerdings wenig zu merken, wie denn der Zuhörer mit übersetztem Sprechgesang in der Regel wenig anzufangen weiß. Patzaks „dichterische“ Gestaltung aber machte auch diese Schwierigkeit zum Erlebnis. Sich selbst aber sang er mit Liedern von Brahms und Richard Strauss frei, die seinem Wesen zweifellos näher liegen.

Mit Herbert Tachezi lernte man einen jungen Organisten von Format kennen, der sowohl in Werken von ]. S, Bach und Buxtehude wie auch von J. N. David (Chaconne a-moll) und vor allem in freier Improvisation ein vielleicht nicht ganz klares, aber doch starkes persönliches Profil zeigte. Der in Genf und Innsbruck mit Preisen ausgezeichnete Künstler dürfte eine der Hoffnungen sein auf eine Wiederbelebung der freien Orgel-Improvisation unter strengen künstlerischen Voraussetzungen.

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