Porgy and Bess - © Foto: Monika Rittershaus

Porgy and Bess: Ein Klassiker – zeitgemäß gedeutet

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Walter Dobner über "Porgy and Bess" im Theater an der Wien

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Walter Dobner über "Porgy and Bess" im Theater an der Wien

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Olive Moorefield und William Warfield waren das Traumpaar der legendären Wiener Erstproduktion von George Gershwins „Porgy and Bess“ an der Wiener Volksoper Mitte der 1960er. Ein halbes Jahrhundert später traut man sich in Wien wieder an eine Neuproduktion dieses Operndreiakters: am Theater an der Wien, das diese Saison den abwechslungsreichsten Spielplan aller Wiener Opernhäuser bietet.

Nicht nur eine Liebesgeschichte mit ungewissem Ausgang, sondern ebenso harsche Gesellschaftskritik steht im Mittelpunkt von Gershwins bedeutendster Oper. Dort setzt die Inszenierung von Matthew Wild, dem künstlerischen Leiter der Cape Town Opera, der damit sein Regiedebüt im Haus am Naschmarkt feiert, an. Er verortet den Stoff nicht im Charleston der 1870er Jahre, wie es der dem Libretto zugrunde liegende Roman „Porgy“ von Edwin DuBose Heyward vorsieht. Inspiriert vom heutigen weltweiten Flüchtlingselend führt er die Geschichte in die Gegenwart. Entsprechend das die Drehbühne des Theaters ideal nutzende Bühnenbild von Katrin Lea Tag: eine Containerlandschaft, die markant auf die tristen Wohnverhältnisse dieser von der Gesellschaft wenn schon nicht Ausgestoßenen, so wenigstens an den Rand Gedrängten aufmerksam macht. Dass dieses Schicksal jeden treffen kann, verdeutlichen die auf die verschiedenen Glaubensbekenntnisse der Darsteller hinweisenden Kostüme von Lejla Ganic.

Eine Szenerie, in der sich dieses von Zuneigung, Leid, Verbrechen und, ganz allgemein, der Sehnsucht nach einer besseren Welt handelnde Geschehen prägnant zeichnen lässt, zeigt, dass man nicht auf modische Zutaten setzen muss, damit dieser Stoff seine Wirkung entfaltet. Vor allem, wenn ein Regisseur versteht, die Singschauspieler ganz natürlich und dennoch effektvoll zu führen. Dass sich, wenigstens bei der Premiere, die Spannung erst nach und nach aufbaute, liegt am Stück. Denn die Darsteller – in der Mehrzahl Schwarze, wie es der Komponist ausdrücklich verlangt – stürzten sich von Anbeginn mit besonderer Verve und Engagement, meist prächtig bei Stimme, in ihre Herausforderungen. Voran die exzellent ihr (Bühnen-)Schicksal vorlebenden Eric Greene und Jeanine de Bique in den Titelrollen an der Spitze eines bestens aufeinander abgestimmten amerikanisch-afrikanischen Ensembles, das auch die Tanzszenen (Choreografie: Louisa Ann Talbot) mit hinreißendem Enthusiasmus präsentierte. Aus dem mit Jazz-erfahrenen Musikern erweiterten Wiener Kammerorchester holte der auch als Organist und Pianist international renommierte Brite Wayne Marshall das Optimum an Möglichkeiten heraus, trug damit wesentlich zum Gelingen dieses Abends bei. Hoffentlich dauert es nicht wieder so lange, bis sich ein Wiener Opernhaus an eine szenische Realisierung dieses amerikanischen Opernklassikers wagt. Seine Aktualität ist ungebrochen.

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