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Vorwärts zur Tonalität
Noch vor etwa zwanzig Jahren lautete die Parole: weg von der Tonalität, vorwärts zur Atonalität! Der Theoretiker und gewandte Wortführer der damals modernen revolutionären Richtung, Arnold Schönberg, bereitete uns mit seinem letzten, in Wien bekanntgewordenen Werk, der „Ode an N a p o 1 e o n“, eine große und erfreuliche Überraschung. Es handelt sich um eine während des. Krieges in Amerika geschaffene Vertonung des gleichnamigen Byron-Gedichts für eine Sprechstimme, Streichorchester und Klavier. „Ode“ ist ein irreführender Titel, das Werk stellt sich vielmehr als ein mit Schillerschem Pathos vorgetragener Haßgesang gegen einen Tyrannen dar — mit deutlichem aktuellen Bezug. — Die etwa zwanzig Minuten dauernde und pausenlos abrollende Komposition ist von einem großartigen Schwung getragen und mit starker Spannung erfüllt. Was vor allem überrascht, sind — bei Schönberg völlig ungewohnt — stark rhythmisch betonte Partien, welche die Auffassung des Werkes beim ersten Hören bedeutend erleichtern. Wohl ist, vor allem die Melodik, nach dem Prinzip der Zwölftonreihe aufgebaut, doch dominieren in den einzelnen Partien bestimmte Intervalle und Tongruppierungen, so daß zumindest für das Ohr — und das ist wohl das Entscheidende — der Eindruck bestimmter Tonräume entsteht. Mit diesem Werk hatte der fast Siebzigjährige einen seiner ersten Publikumserfolge —- in den USA und auch bei der ausgezeichneten, sorgfältig studierten Aufführung durch das Wiener Kammerorchestcr unter Franz Litschauer (Sprecher Josef Witt, Soloklavier Josęf Dichiler).
Streng im tonalen Raum bewegen sich die 5 Variationen über ein Thema von J, S. Bach von J. N. David. Trotzdem ist das Werk abstrakter und schwerer zu hören, als das Schönbergsche, da es sich, wie zuweilen bei David, um eine Komposition mehr für das Auge als für das Ohr handelt. Die ersten drei Variationen enthalten reizende, kammermusikalische Feinheiten, die in einem großen Saal vielleicht nicht richtig zur Geltung kommen können. Wirkungsvoller sind die beiden letzten Sätze, eine Fuge und eine Chaconne mit einem eigenartigen ostinaten Baßabstieg. Die Bekanntschaft mit diesem Werk haben wir Anton Heiller zu danken, der im gleichen Konzert mit den Symphonikern das Klavierkonzert G-dur von Beethoven begleitete (Solist Friedrich Wührer) und eine für einen jungen Dirigenten sehr achtbare Interpretation der 1, Symphonie von Brahms bot. Natürlich fehlte da und dort die vorletzte Feile. Aber wer kein Wunder, sondern eine tüchtige Leistung eines sehr begabten jungen Dirigenten erwartete, konnte mit der Gesamtleistung, die sich an einem so schwierigen und vielfältigen Programm zu bewähren hatte, wohl zufrieden sein.
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