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Zeitgenossen — Gegenpole

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Es wird der Musikhistorie einmal nicht leicht werden, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geschaffenen Werke unter einen Hut zu bringen und ihren Stil „entwicklungsgeschichtlich“ zu erklären. Der „Rosenka alier“ und „Petruschka“ wurden im gleichen Jahr (1911) geschrieben; „Palestrina und „Pierrot lunaire“ sind zur gleichen Zeit entstanden (1912—1915 und 1914). Auf Wiener Boden schufen nebeneinander; Franz Schmidt, Carl Prohaska, Julius Bittner und Alban Berg, Anton on Webern, Ernst Krenek... Schon seit dem Beginn der dreißiger Jahre, besonders aber nach 1945, hatte man das Gefühl, daß die Musikentwicklung zur Synthese drängt. Doch stehen sich auch heute noch, freilich altersmäßig durch zwei Jahrzehnte getrennt, so grund erschiedene Musikpersönlichkeiten gegenüber wie Joseph Marx und H. E. Apostel, deren Werke in der gleichen Woche aufgeführt wurden.

In einer Reihe on Festkonzerten anläßlich seines 70. Geburtstages (Mozartgemeinde, Richard-Wagner- erband, Österreichisch-Sowjetische Gesellschaft und andere) wurde ein großer Teil des Marxschen Opus dargeboten, dessen Umfang und Eigenart so bekannt sind, daß es an dieser Stelle keiner Präsentation bedarf. Seine „Leitmoti e erklangen besonders deutlich in dem on der Gesellschaft der Musikfreunde und den Wiener Symphonikern unter der Leitung on Bogo Lesko ic eranstalteten Konzert: Zwei Sätze aus den „Alt-Wiener Serenaden können als Beispiel für die Stilisierungskunst on Joseph Marx angesehen werden; der on Hans Braun gesungene Zyklus „Das erklärte Jahr repräsentierte, mit einigen Kla ierliedern ( on Ljuba Welitsch orgetragen und om Komponisten begleitet), die Natūr

poesie; und „Feste im Herbst mag als Exempel für den farbig-rauschenden „dionysischen“ Orchesterklang gewählt worden sein. Lediglich die romanische Komponente war infolge des Fehlens der „Castelli romani’ und des „Italienischen Liederbuches zu wenig akzentuiert

Im Zyklus „Die Große Symphonie erklangen an ier aufeinanderfolgenden Abenden, on den Wiener Symphonikern unter Joseph Keilberth gespielt, als österreichische Erstaufführung die „Haydn- ariationen op. 17 on Hans Erich Apostel, der sich als „konser ati en Radikalen“ bekennt. In diesen neun ariationen für großes Orchester wendet der Komponist jene „extreme thematische Arbeit“ an, bei der nicht das ganze Thema (aus dem langsamen Satz der Es-dur-Symphonie op. 103) ariiert wird, sondern nur Teilausschnitte gekürzt, ergrößert, umgekehrt oder mit anderen Themenfragmenten kombiniert werden — und wie wir sie aus den Partituren der Schönberg- Schule kennen. Daher wirken das Zitat aus Alban Bergs „Wozzeck“ in der I. und die Charakterisierung der II. ariation („Nachtstück in Kubins Manier“) legitimer als der Gesamttitel. Je freier die eränderungen werden, um so intensi er und unmittelbarer ist ihre Wirkung. So liegt der — nicht nur dynamische — Schwerpunkt der Reihe in den beiden Tutti- ariationen, die das Herzstück des Werkes flankieren, ein Streicheradagio, das seiner Qualität nach on Berg sein könnte — und doch die un erkennbare Handschrift Apostels zeigt. — Der Chronist ermerkt einen Achtungserfolg — und schließt sich der Meinung des Publikums an.

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