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Jean Vilar am Burgtheater
Festwochenausklang am Burgtheater: Jean Vilar gastierte mit seinem „Theatre National P o p u 1 a i r e“ mit M o 1 i ė r e s „Ecole des femmes", mit „Le Triomphe de l’Amour“ von Marivaux, mit Andrė Gidės „Oedipe" und „Le Carrosse du Saint Sacrament“ von M ė r i m ė e. Vilars unnachahmlich-französischer ' Theaterstil der Reduktion und Stilisierung, der reinen Komödiantik vor nahezu kärglicher Dekoration (was dann freilich durch eine fast nachtwandlerische Perfektion mehr als wettgemacht wird) errang Bewunderung und enthusiastischen Beifall.
Der erste Abend brachte Marivaux’ „L e Triomphe de l’Amour“: Eine dem Geist und dem geistreichen Geplänkel des 18. Jahrhunderts verhaftete Verkleidungs- und Verwechslungskomödie, die vor allem das brillante Federballspiel des Ensembles unter Beweis stellt, — ein Maximum an Charme, Anmut, Esprit. Da ist alles nur Bewegung und Melodie, ein, unermüdliches, graziöses Schweben in einer Symphonie von Gesten, Farben und Worten. Das klassizistisch-schlichte Bühnenbild (von Leon Gischia) kontrastiert zum schwarzen Hintergrund und zu den zierlichen, farbenfreudigen Kostümen. Es spielen Maria Casares, Monique Chaumette, Jean Vilar, Catherine le C o u e y, Roger Möllien, Georges Wilson und Jean-Pierre Darras.
Am Sonntägnachmittag ging Moliėres „Ecole des femmes"über die Bühne: Wieder die in schlichter Farbenfreude leuchtende spartanische Dekoration vor schwarzem Hintergrund, wieder das bunte Treiben der klassischen Komödie, doch herber diesmal, rustikaler, saftig, barock und schmucklos. Alles, was an die Marivaudage vom Vorabend erinnern könnte, ist verbannt: weicht der psychologischen Darstellung von Menschen. Georges W i 1- s o n (der auch Regie führte) gibt einen prächtigwuchtigen Arnolphe, Christiane D e s b o i s verleiht der kleinen Agnės den Zauber anmutig-pausbäckiger Jugend. Laurertce Badie und Guy Saint- Jean: zwei köstliche Typen ländlich-dreister Komik.
Den ersten Teil des Sonntagabends bestritt Andrė Gidės „O e d i p e“: ein gewalttätiger, literarisch interessanter, literatur-historisch indes nicht sehr wichtiger Einakter. Der Stoff ist seit Sophokles weder tragischer noch dramatischer geworden. An diesem Stück offenbart sich ein Hang zur großen Geste, zur martialischen Gebärde, zum stilisierten Pathos. Der Bühnenraum wird vollends einem schmalen, mit flächigen Attrappen eingezäumten Turnierplatz des Wortes geopfert. Jean Vilars hagerer Römerkopf, das Feuer seiner Rezitation, die dumpfe Trauer seines Organs bleiben im Gedächtnis.
Nach der Pause führt der turbulente Einakter Prosper Mėrimėes „Le Carrosse du Saint Sacrament” zum rauschenden Erfolg. In diesem kleinen, amüsanten Stück kommen alle Exotik, aller Esprit, aller Verve, alles Temperament des gallischen Theaters zur Entfaltung. Die männliche Hauptrolle gibt wieder Georges Wilson, der herrliche, vitale, subtil-komödiantische Gestalter. Die große Stunde aber schlägt für Maria Casares. Da ist jede Fiber in vibrierender Bewegung, jeder Anflug dieser ihrer knappen, in beständigem Wandel begriffenen Gesten, jeder Tonklang ist schon im Ansatz ein winziger Temperamentsausbruch. In kleineren Rollen gefielen Roger Mollien und Andrė Schiesser.
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