6728019-1965_39_15.jpg
Digital In Arbeit

Makabrer Humor

Werbung
Werbung
Werbung

„Die Situationen in ,Arsen und alte Spitzen' sind so völlig idiotisch, daß es praktisch unmöglich ist, sich über sie aufzuregen“, hieß es vor etwa 15 Jahren in einem Programmheft über die Gruselkomödie von Joseph Kesselring. Damals nahm man nämlich die beiden gütigen alten Tanten, die aus purer Gutherzigkeit zwölf Männer mit Arsenik vergiftet und im Keller bestattet hatten, weil sie damit einsame Menschen von ihrer Einsamkeit befreien wollten, ernst. Aber „es ist ein altes Theatergesetz“, hieß es schon damals aufklärend, „daß ein Toter, vielleicht auch zwei Tote, ergreifen, während zwanzig der Lächerlichkeit preisgegeben sind“. Diese Zahl wird aber im Stück noch übertroffen, denn der wahnsinnige Neffe der beiden Tanten hat aus degenerierter Mordlust auch schon ein Dutzend Menschen umgebracht. Heute weiß das Publikum, daß es sich um eine höchst gelungene Persiflage auf die sadistischen Mörder-, Gangster-, Gruselstücke und -Filme handelt. Kommt noch ein zweiter, aber eher harmlos verrückter Neffe hinzu, der sich für Theodor Roosevelt hält, und eine umwerfend bornierte Polizei, dann hält die Komik dem Grauen die Waage und das Publikum im Akademietheater kann sich vergnügt den Schauspielern zuwenden. Allen voran den Schwestern Abby und Martha Brewster; Adrienne Gessner und Alma Seidler spielen sie großartig. (Wahrscheinlich hat man ihretwegen das im Film, Fernsehen und Rundfunk bereits genügend ausgeschrotete Stück auf den Spielplan gesetzt.) So werden aus dem Stück zwei Rollen, aus der Aufführung zwei Schauspielenleistungen.

Sehr gut auch Ernst Anders als Neffe Mortimer. Von den zahlreichen Mitwirkenden seien noch Fred Liewehr, Manfred Inger, Michael Janisch und Hans Thimig genannt. Erich Neuberg führte — wie einst in der unvergessenen Aufführung im Kleinen Theater am Parkring — Regie. Das Publikum unterhielt sich sichtlich.

Das Volkstheater übernahm die „juristische, zoologische und moralische Komödie — Zoo oder Der menschenfreundliche Mörder“ des Franzosen Vercors (Jean Bruller), die es zu Jahresbeginn mit so großem Erfolg vor einem literarisch interessierten Kreis von Sonderabonnenten gespielt hatte, ins Hauptabonnement. Wieder erheitern der wissenschaftliche Streit und die widersprechenden Gutachten der Anthropologen, Mediziner, Tierpsychologen und Sprachwissenschaftler vor einem Londoner Schwurgericht darüber, wo die Grenze zwischen Tier und Mensch zu suchen sei, verblüfft die Geschicklichkeit des Dramatikens Vercors, die Tragödie des Rassenwahns dem Publikum in fast schwankhafter Form nahezubringen. Wo die Handlung, wie gegen Schluß, zu lahmen beginnt, helfen die Schauspieler, die in den vielen Ohargenrollen treffliche Leistungen bieten, hinweg. Zugegeben, daß der Grundeinfall — ein an einer wissenschaftlichen Expedition teilnehmender Journalist tötet das Junge einer künstlich befruchteten Menschenäffln, um ein Urteil wegen „Mord“ zu provozieren <— absurden Gefilden entstammt, doch führt ihn der Autor alsbald in die hellen Regionen der Vernunft, welche die schwierige Frage: Was ist eigentlich der Mensch? klären helfen soll. — Regisseur Gustav Manker hat seine frühere Inszenierung frisch aufpoliert und dem größeren Publikumskreis entsprechend handfester und sinnfälliger gestaltet. Von den Umbesetzungen in größeren Rollen sei besonders Walter Langer als skuriller französischer Anthropologe genannt. Ansonst gefallen wie ehedem: Harry Fuss als Journalist, Maria Urban als kluge Sprecherin, Joseph Hendrichs in der Rolle des geplagten Richters und in blendenden Episodenrollen Traute Wass-ler, Benno Smytt, Hans Weicker, Hans Rüdgers, Fritz Widhalm-Wind-egg. Ein Sonderlob wieder für Oskar Willner in der Rolle des Missionars und Sprachforschers mit seinen überaus komischen Tierlautimitationen. Nachdenkliche und Oberflächliche, beide Publikumstypen haben vollauf Anlaß zum Lachen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung