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Digital In Arbeit

Achtung, Anfänger!

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Ich habe mir eine neue Schreibmaschine gekauft. Die alte, über die sich der Händler, der mir dafür freundlicherweise 300 Schilling gegeben hat, fast krummgelacht hat, war elektrisch. Die neue ist elektronisch.

Aber natürlich funktioniert sie wie die Vorgängerin elektrisch, was mich zum Lexikon hat greifen lassen. Da erfahre ich, daß Elektron im Altgriechischen das Wort für Bernstein war. Reibt man diesen, steht dort, entsteht ein elektrisches Feld. Und keine elektronisches. Die Frage, ob es neben dem Elektriker jetzt auch oder gar statt ihm den Elektroniker gibt, beantwortet mein Lexikon wie so vieles nicht. Wahrscheinlich aber ist der Unterschied zwischen Elektrizität und Elektronik so ähnlich wie der zwischen Logik und Logistik. Man weiß ja so wenig.

Aber wie immer sie auch heißt, ich merke den Unterschied zu meinem Oldtimer. In welch rasend fortschrittlicher Welt lebe ich doch. Mir erschien vor Jahren meine extraflache mechanische Schreibmaschine im Gegensatz zu der ererbten schwarzen Underwood wie eine Mondrakete im Vergleich zu einem Schubkarren.

Dann, beim Erwerb der elektrischen, erschrak ich über die Promptheit ihrer Tasten, die man nur leicht berühren und nicht schlagen mußte. (Du verdirbst dir den Anschlag, sagten seinerzeit alle, als ich zum Hauptfach Klavier das Nebenfach Orgel nahm.)

Jetzt streicht mein Finger vom h zum o, und das tut er bei Hotel, hobeln, Holler, Schock, und schon (da auch!) tippt die Elektronische einen Neuner dazwischen, weil ich diese unbeteiligte Taste vermutlich unmerklich gestreift habe.

9 kommt aber auch sonst in meinem Getippten jetzt öfter vor, auch ohne h und o. Ich muß da irgendeine Bewegung haben, die mir bisher keiner meiner Schreibapparate übelgenommen hat. I9ch werde sie mir abge9wöhnen müssen. Auch ein Hang zur Legasthenie ist durch die Feinfühlige ruchbar geworden. Ihc mekre ihn immre merh. Spatien bleiben aus oderverdoppeln sich.

Glücklicherweise kann ich schon perfekt mit der Korrekturtaste umgehenen. Die Korrekturbänder sind zwar blödsinnig teuer und vergrößern wie die Einmalfarbbänder den Müllberg in meiner Heimatgemeinde beträchtlich, doch dafür ist das Schriftbild im Endeffekt großartig.

Manche Multifunktionstasten machen mir noch Probleme, und pikant finde ich, daß das von mir häufig gebrauchte Apostroph erst nach Drücken zweier Codetasten bewerkstelligt werden kann.

Mitunter piepst das Ding jämmerlich und läßt auch rote Lichter blinken. Das bindet mich stets um einiges mehr an das lebewesenähnliche Gerät, das laut Prospekt auch zu halben Rückschritten, ständigen Leerschritten und Tiefstellung sowie Zentrieren, Druckwerkrücklauf und Tabellengestaltung fähig ist. Darüber werde ich, hat der Schreibmaschinenverkäufer gesagt, als er mein verständnisloses Gesicht sah, einmal noch sehr froh sein.Bis jetzt pöbelt mich jedoch lediglich jeder Empfänger meiner Typoskripte an, der mein bisher so säuberlich Geschriebenes vermißt. Aber ich werde es noch lernen. Au'ch die Kosten fürs Photokopei-ren wrene seih amrotiseiren, aber dei Druchschälge snid unlesrelchi durch dei vielne Übertippnugen mti der Okrrekturtsate, und so schreite ich täglich mit etwa dreißig Seiten zum postamtlichen Ablichter.

Bis dahin schreibe ich alles, was schnell gehen soll, wieder mit der alten schwarzen Underwood.

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