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Aktiv und hoffnungsvoll

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Um die „Kirche von unten' 'ging es bei den „Seckauer Gesprächen 1984

Unter „Kirche von unten" werden üblicherweise „Basisgemeinden" verstanden — vielfach mißverstanden von der „Kirche von oben" und von den übrigen Gemeindemitgliedern. „Da diese Gruppen versuchen den Glauben konsequent zu leben, kommen sie in Konflikt mit der offiziellen Kirche", meinte ein Teilnehmer der von der Pater-Laurentius-Hora-Stiftung vom 27. bis 29. April veranstalteten Gespräche, der selbst nicht Mitglied einer solchen Gruppe ist.

Der Konflikt ist latent und hat viele Quellen, wie

• den Namen, der zu Mißdeutungen verleitet;

• das Anderssein, das über Nichtverstehen zum Mißtrauen führt;

• das Gefühl der Außenstehenden: „Wenn ich nicht dabei bin, bin ich ein schlechterer Katholik";

• die Versuchung, dem „Thermosflaschenprinzip" zu erliegen: innen warm — da fühle ich mich behaglich — außen kalt;

• die bei Intensivierung der menschlichen Beziehungen Hand in Hand gehenden positiven Erlebnisse und Schwierigkeiten;

• die Angst vor der Unruhe, auch wenn die Ruhe die eines Friedhofs ist;

• die veränderte Position des Pfarrers, er ist nicht mehr alleiniger Herr, er muß teilen und delegieren und behält doch die Letztverantwortung.

Und doch seien gerade diese Aktivgruppen Hoffnung für eine in vielen Bereichen erstarrte und zaghaft gewordene Kirche, war der Tenor eines Referates von Professor Heinrich Lutz bei dieser Tagung. Es gelte, „dem Evangelium wieder Biß zu geben", als Antwort auf eine tief in Hoff-nungs- und Ratlosigkeit steckende Welt. Wer seine Taufe, an ihm als Kind unbewußt vollzogen, bewußt erneuere, sich zum Glauben neu bekenne, erhielte die Kraft und die Liebe, um die Zukunft zu meistern.

Diese Kraft läßt solche Gruppen Straßenwerbung betreiben: „Kommen Sie zu uns in die Kirche, dann gehen wir mit Ihnen zum Heurigen!". Diese Kraft läßt sie mit einem Minimum an Subventionen durch Selbstbesteuerung und tatkräftige Mitarbeit Gemeinde-, Rehabilitations- und Sozialzentren errichten und betreiben, und vieles mehr. Diese Kraft finden sie in ihrer Gemeinschaft, in deren Mitte die Eucharistie steht.

Solche Gruppen wollen eine Kirche anderer Art, nicht eine andere Kirche. Sie wollen weg von der anonymen Betreuungskirche, die aus dem Konsumdenken kommt, zur aktiv gestalteten Gemeindekirche. Sie wollen das Kirchenbild des Neuen Testamentes verwirklichen. Das Verhältnis zur Volkskirche ist freilich eine Gratwanderung zwischen notwendiger Geschlossenheit und Offenheit für Außenstehende.

P. Heinrich Segur SJ, Rektor des Kollegium Kalksburg bei Wien, warnte in seinem Referat eindringlich vor der Gefahr eines Schismas: Spannungen dürften nicht durch Teilen gelöst werden, bei Schwierigkeiten solle man nicht aus der Pfarre emigrieren, auch die Basisgemeinden müßten immer Teil der einen und einzigen Kirche bleiben.

Seitens der Basisgemeinden sei die Antwort im ersten Korinther-brief zu finden: Als Glied des einen Leibes, als Vielfalt in der Einheit, die Kirche sei eine stets zu reformierende.

Antwort auf diese Fragen gab auch der Verlauf der Tagung selbst: aus den rund 25 Teilnehmern, von denen sich nur wenige persönlich kannten und die sowohl aus Basisgemeinden als auch aus traditionellen Gemeinden kamen, wurde in der Atmosphäre von Seckau durch das offene Gespräch und die gegenseitige Achtung eine Gemeinschaft nicht zuletzt auch ausgedrückt in einer intensiv gestalteten Eucharistiefeier.

Der Autor, von Beruf EDV-Spezialist, ist Pfarrgemeinderat und Mitglied einer in Aufbau begriffenen Basisgemeinschaft der Pfarre Hinterbrühl bei Wien.

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