6973367-1985_38_17.jpg
Digital In Arbeit

Alles schon dagewesen

Werbung
Werbung
Werbung

Alles schon dagewesen!“ Wo ließe sich der dem alten Rabbi Ben Akiba in den Mund gelegte Ausspruch besser dokumentieren als im Rückblick über 400 Jahre Geschichte? Etwa auf jene vier Jahrhunderte, auf die die Universität Graz heuer zurückschaut?

Nun liegt die Jubiläumspublikation vor, in der der Historiker Walter Höflechner die vier Jahrhunderte Revue passieren läßt nicht ohne manchen Seitenhieb auf heute aktuelle Anlässe.

Als Erzherzog Karl 1585 die Jesuiten beauftragte, in Graz eine Universität zu errichten, da stand die Unlust der steirischen Landstände im Hintergrund, ihren Landeskindern den Aufenthalt in Wien zu finanzieren.

Schon damals war eine Universität „in hohem Maß ein Prestigeobjekt“, schreibt der Autor, „Zeichen der Blüte eines Landes, Anziehungspunkt und Zentrum über das Land hinaus und Zeichen der Weisheit des Landesherrn ...“

Immerhin hatten auch solche Motive die Kraft, etwas Bleibendes zu schaffen___

170 Jahre später hatte Maria Theresia neue Vorstellungen von den Aufgaben der Universität. Gerard van Swieten reformierte

Österreichs Universitäten. Im Reformerlaß wurde kritisiert, daß bisher akademische Grade verliehen worden seien „ohne Zahl, ohne alle Hochachtung einer Gelehrtheit, folglich ohne Hoffnung einiger künftiger Versorgung“.

Akademiker arbeitslosigkeit vor zweihundert Jahren?

Unter Josef II. wurde die Universität Graz zu einem „Lyzeum“ reduziert. Dessen medizinischchirurgisches Studium sollte der Heranbildung von Wundärzten und Hebammen dienen. Da die Hebammen großteils aus der Südsteiermark kamen, wurde 1808 ein eigener Hebammenkurs in „windischer“ Sprache eingeführt. Zwischen 1848 und 1854 gab es auch auf der wiederhergestellten Universität Vorlesungen in Slowenisch.

44 Jahre lang gab es nur das Lyzeum, dann wurde 1827 unter Franz I. die Grazer Anstalt wieder zur Universität erhoben — mit dem Bemerken, „daß aus ihr keine zusätzliche Belastung des Staatsärars resultieren dürfte“.

Damals hatte man noch Illusionen ...

Deswegen gab es zunächst auch keine neue Medizinische Fakultät. 1860 aber lebte eine „neuerliche, die Universität, die Stadt.das Land und Private umfassende Bewegung“ auf, die die Wiedererrichtung der Medizin forderte. Spenden wurden aufgebracht, dem Ministerium finanzielle Unterstützungsangebote durch Stadt und Land unterbreitet. Das hatte Erfolg - wie 100 Jahre später in Linz oder Klagenfurt.

Aber da war man auch schon in einer neuen Ära der Bildungspolitik - mit einem Reformtempo, wie es kein zweites Mal in sechshundert Jahren österreichischer Hochschulpolitik anzutreffen war.

Am 13. März 1848 war die Revolution ausgebrochen. Unmittelbar darauf wurde Franz von Som-maruga zum Unterrichtsminister ernannt — und schon im Mai verlegte er die Einführungsjahrgänge der Philosophischen Fakultät an die Gymnasien. Im Juli erging die neue Promotions- und Habilitationsordnung.

Die dann von Leo Graf Thun-Hohenstein verwirklichte Studienreform brauchte etwas länger, immerhin vier Jahre, weil sich die Akademie der Wissenschaften den Vorstellungen des Ministers widersetzte. Der Kaiser schloß sich jedoch Thuns Vorschlägen an.

Die Spannungen zwischen Universität und Unterrichtsbehörde gab es damals wie heute. Die Reform hatte die unmittelbare Leitung der Universität dem Lehrkörper zugeteilt - unter der Kontrolle des Ministeriums. Ubergriffe der Kontrolle gab es vor allem in der Anfangszeit, solange die Universitäten noch nicht genügend Fachleute für das Berufungsverfahren hatten und „man weltanschaulichen Prinzipien in bestimmten Fächern — etwa der Geschichte - den Vorrang vor der Freiheit einräumte“.

Das Ministerium arbeitete, wenn es nicht durch Nichterledi-gung eine Erledigung in seinem

Sinn versuchte, schnell und präzis ...

Auch damals gab es schon das Problem, daß die Generationsablöse unter den Professoren nicht ohne Friktionen erfolgen konnte: „Der älteren Professorengeneration, die altgedient auf ihren Lehrstühlen saß, mit dem kärglichen Gehalt des alten Systems... geriet es meist zur bitteren Erfahrung, nun die jungen, selbstsicheren und missionarisch-geschäftigen Professoren der neuen Zeit in den Kollegien zu erleben und sich durch deren Benehmen, Aktivität und höhere Besoldung demonstrieren zu lassen, daß sie einer abgeschriebenen Generation angehörten.“

Zumindest in der liberalen Ära hielt der Minister selbst am Sonntag vormittag Sprechstunden für aus der „Provinz“ anreisende Professoren, die ihn selbstverständlich aufsuchten, wenn sie sich von ihm kompetente Aussagen erhofften. Die Zeiten, in denen Rektoren durch Monate hindurch auf eine Audienz beim Minister warten müssen, waren noch nicht gekommen. Im Gegenteil: Minister pflegten an den Universitäten Antrittsbesuche zu machen... Das waren noch Zeiten...

TRADITION UND HERAUSFORDERUNG. 400 Jahre Universität Graz. Herausgegeben von K. Freisitzer, W. Höflechner. H.-L. Holt-zer und W. Mantl. Akad. Druck- u. Verlags-anstalt, Graz 1985,737 Seiten, Ln.. öS 930,-.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung