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Das Feindbild im Taxi
Vor dem Hotel stehen die Taxis. Ich gehe zum ersten. Der Fahrer kurbelt das Fenster herunter. Ich stutze einen Augenblick. (Taxifahrer ist nicht gleich Taxifahrer.)
„Bringen Sie mich bitte zum Westbahnhof?"
„Gern."
Ich steige ein.
Wir kommen in ein Gespräch, das wohl keiner von uns so erwartet hat. Anlaß dazu ist das kleine Schild im Auto mit der Aufschrift „Rauchen verboten".
„Das kostet Sie sicher einige Kundschaft?"
Er zuckt die Achseln. „Wissen Sie, vielen ist das ganz egal. Sie rauchen trotzdem, als könnten sie nicht lesen. Die Asche verstreuen sie auf den Boden und die Sitze. Schau'n Sie..." Er zeigt auf mehrere löcherige Brandstellen in den Polstern. „Das ersetzt mir niemand. Und ich muß ja auch an die saubere Kleidung der nächsten Fahrgäste denken."
„Sind Sie Ausländer?"
„Ja."
„Wo haben Sie so gut Deutsch gelernt?"
„Ich arbeite seit vielen Jahren in Wien."
„In diesem Beruf?"
„Ja. Aber erst jetzt." Und er erzählt, daß er studiert hat, daß er Notzeiten erlebt hat, in seinem Beruf nicht mehr arbeiten konnte und aus der Not eine Tugend machte, indem er ein, eigenes Unterneh men gründete.
„Sie sind also jetzt Arbeitgeber?" Er nickt und erzählt, daß die Österreicher gern bei ihm arbeiten. Als ich nach den Gründen frage, sagt er: „Ich bin kein Boss, sondern ein Mensch, der mit Menschen zusammenarbeitet. Ich zahle meine Mitarbeiter gut und gebe ihnen genug Freizeit. Wenn sie Schwierigkeiten haben, kommen sie zu mir und wir besprechen alles. Wir haben Vertrauen zueinander. Um so schlimmer sind die Verhältnisse in unserem Beruf, die sich immer mehr zuspitzen."
Ich erfahre, daß es in Wien vier große Taxizentralen gibt und in letzter Zeit käme es immer häufiger vor, daß es beim Ruf eines Taxis nachdrücklich heißt: „Nur Inländer!"
„Das ist nicht nur eine Verschlechterung des sozialen Klimas. Das ist Diskriminierung", sagt er.
„Wo leben wir denn?", denke ich laut.
„In Wien", sagt er bitter, „im zwanzigsten Jahrhundert. Im Zeitalter der Bewältigung der Vergangenheit, im Zeitalter der .Bekämpfung von Feindbildern'. Theorie und Praxis klaffen weit auseinander."
„Wie wehren Sie sich?"
„Wir haben einen Verein gegründet .Gegen Diskriminierung ausländischer Taxifahrer'. Sehr optimistisch sind wir nicht, aber entschlossen, etwas zu tun gegen Verleumdung und Hetzkampagnen. Es ist Notwehr, die uns dazu zwingt."
Wir halten vor dem Westbahnhof. Ich zahle. Er zieht ein Papier aus der Tasche.
„Ich will Sie nicht belästigen. Aber es schien mir, als interessiere Sie das."
Es ist die Einladung zur Generalversammlung des Vereins und ein Bericht über die gegenwärtige Situation. Ich gebe dem Fahrer meine Adresse.
„Informieren Sie mich über die weitere Entwicklung und Ihre Erfahrungen. Ich möchte versuchen, Ihnen zu helfen."
„Wie?"
„Über die Presse. Durch sachliche Information." Er lächelt resigniert. „Das wird nicht viel nützen."
„Egal", sage ich, „man muß es trotzdem versuchen. Schließlich gibt es hier und da noch ein paar vernünftige Menschen."
Wir verabschieden uns. Ich wünsche ihm eine gute Zeit.
Einen Tag später lese ich in einem Zeitungsbericht über die Wiener Regionalkonferenz des österreichischen PEN-Clubs ein Pressegespräch mit dem Generalsekretär des Internationalen PEN-Clubs. Alexandre Blokh, und ein Loblied auf die Stadt: „In Wien ist niemand ein Ausländer oder Fremder..."
Das sollte sich herumsprechen.
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