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Das Heer der Kaiserin

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In einem Panzerschrank des Wiener heeresgeschichtlichen Museums wird eine ganz besondere Kostbarkeit dieses an Kostbarkeiten nicht armen Museums aufbewahrt: eine Bilderhandschrift aus dem Jahre 1762, die in 112 Farbflguren eine Darstellung des Heeres Maria Theresias im letzten Feldzugsjahr des Siebenjähriges Krieges enthält. Angefertigt wurde diese Bildhandschrift wahrscheinlich für den Schwiegersohn Maria Theresias, den Mann ihrer Lieblingstochter Christine, dem Herzog Albert von Saehsen-Teschen, den Gründer te weltberühmten-gcftphi'!; sehen Sammlung „Albertina“. Dieser bisher in einem Panzerschrank verwahrte Schatz wurde nun der Öffentlichkeit zugänglich gemacht: durch eine wirklich großzügige Reproduktion, die unter dem Titel „Das Heer Maria Theresias“, in der erst vor nicht langer Zeit gegründeten Edition Tusch (Wien) durch deren Leiter Friedrich Kornauth erschienen ist.

Eine Uniformgeschichte ist nicht nur ein Teil Militärgeschichte, sondern auch ein Teil Kulturgeschichte. Militärgeschichte deshalb, weil die Uniformkunde sehr viel über Bewaffnung und Formierung der einzelnen Heeresteile aussagt. Kulturgeschichte deshalb, weil aus dem Schnitt und den Farben der Uniform auf die Kultur der betreffenden Zeit viele Rückschlüsse gezogen werden können. Uniformen selbst gibt es eigentlich erst seit Ende des 17. Jahrhunderts. Bis dahin erkannte sich Freund und Feind an den Schärpen, die die Krieger trugen: die Franzosen weiße, die Kaiserlichen rote, die Schweden blaue. Ende des 17. Jahrhunderts beginnt die einheitliche Bekleidung der Armee, um dann im 18. Jahrhundert zur vollen Blüte zu gelangen. Neben den Fahnen hatte ,die Farbe der Uniform vor allem den Zweck, Freund und Feind zu unterscheiden: weiß trugen die Kaiserlichen (welche Uniformfarbe bis 1866 vorherrschte und bei der Generalsgala sogar bis 1918), blau die Preußen (deshalb „Preußisch-Blau“), grün die Russen, rot die Engländer (in welcher Farbe die Uniformröcke der britischen Garden und der kanadischen Polizei noch bis heute gehalten sind).

In der vorliegenden Albertma-Handschrift werden nun sämtliche Waffengattungen des Theresianischen Heeres in Einzeldarstellungen wiedergegeben. Weiß ist, wie schon erwähnt, die vorherrschende Farbe, die nur bei wenigen Waffengattungen, wie Grenzerregimentern (die Uniformen trugen, die aus den Volkstrachten entstanden waren) und den Artillerieregimentem (die schon damals einen braunen Rock und rote Aufschläge besaßen, welche bis 1938 beibehalten wurden). Die Koprbe-deckung ist bei fast allen Regimen-

tern der Dreispitz, nur die Grenzer und ungarischen Regimenter tragen Kopfbedeckungen, die ebenfalls aus den Trachten hervorgingen.

Die Abbildungen werden das Entzücken nicht nur jedes an Militärgeschichte Interessierten hervorrufen, sondern ebenfalls das Interesse jedes Lesers, der sich mit Kulturgeschichte befaßt. Ausgezeichnet sind die Texte. Sie geben geradezu eine Geschichte aller Regimenter der Theresianischen Zeit und deren Schicksale, bis zum Ende der verschiedenen Truppenkörper wieder, so rfaß^diese. .einz^W Regimentsge-schichten oft bis 1Ö1Ö“ oder 1938 reichen. Daneben gibt das Buch aber auch eine genaue Schilderung der großen Theresianischen Heeresreformen, die die Monarchie befähigten, im Siebenjährigen Krieg glanzvolle Siege über Friedrich II. zu erringen. Der Leser erfährt auch vieles über die verschiedenen Kriegsführungen der damaligen Zeit, über die Rekrutierungen und über die Behandlung der eingezogenen Soldaten, wobei Österreich gut wegkommt und Preußen miserabel, denn erneut wird dem Leser zu Bewußtsein gebracht, daß der sogenannte große Friedrich II. von Preußen ein Menschenschinder elendster Art war, der das Prinzip aufstellte, daß die preußischen Soldaten den eigenen Vorgesetzten mehr fürchten sollten als den Feind und der durch ungeheure Grausamkeiten die meist zum Militär gepreßten armen Menschen dazu verwendete, um Preußens Glorie zu schaffen, (Die dann endgültig 1945 mit einer Katastrophe sondergleichen endete.)

Trotz des hohen Preises (950 S) — der allerdings angesichts dieser Ausstattung völlig gerechtfertigt ist — soll das Buch bereits knapp nach Erscheinen ein Bestseller geworden sein. Dies ist begreiflich, denn jeder an der österreichischen Militärgeschichte Interessierte, muß damit seine Bibliothek bereichern.

DAS HEER MARIA THERESIAS. Faksimile-Ausgabe der Albertina-Handschrift. Herausgegeben und erläutert von Friedrich Kornauth. Edition Tusch, Wien, 170 Seiten zahlreiche Abbildungen.

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