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Digital In Arbeit

Das Revier im Büro

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Es war nach dem Besuch einer Kaserne, arrangiert für eine Gruppe von Journalisten. Ein Rundfunkintendant war auch darunter, und ich hörte, wie er zu seinem Chefredakteur aufseufzend sprach: „Ach, wäre doch nicht schlecht, wenn wir auch solche Schulterklappen mit Abzeichen hätten.“

Natürlich, dachte ich bei mir, würde dem das gefallen. Schließlich hätte er als Intendant dann mindestens vier Sterne...

Doch wozu nach Schulterklappen gieren! Wir alle haben einen mehr oder minder guten Ersatz: das Büro und seine Ausstattung.

Längst hat sich damit im Berufsleben ein ganz eigener Status-Code herausgebildet. Dabei gehen einzelne Firmen mehr oder minder phantasievoll vor: Es gibt preußisch gründliche, die legen wie bei der Käfigtierhaltung fest, wie viele Quadratmeter der Sekretärin, dem Gruppen-, dem Ab-teilungs- und dem Hauptabteilungsleiter zustehen. Und wie die Mitarbeiter mit Argusaugen und Zollstock darüber wachen!

Andere Firmen wiederum regeln die Art des Schreibtisches: untere Führungsebene Kunststoff, mittlere Ebene Holzfurnier, obere Ebene Massivholz. Ich hab' mal meinen Mann furchtbar in Verlegenheit gebracht, als er mir einen Kollegen jener Firma vorstellte und ich - schließlich muß man ja sein Gegenüber einordnen können - fragte: „Sind Sie noch Furnier oder schon massiv?“

Eine meiner früheren Firmen zum Beispiel schrieb genau die Fensterachsen vor: eine für die Sekretärin, zwei für den Gruppenleiter, drei ab Abteilungsleiterebene.

Es ist mehr als einmal passiert, daß bei Umzügen innerhalb des Hauses die eine Wand herausgerissen (für Abteilungsleiter) und eine andere dafür eingebaut wur-

Modemuffel de, sonst hätte einmal beinahe aus Versehen der Archivar, man stelle sich vor, drei Fensterachsen besessen. Schließlich: Ordnung muß sein!

Ich habe dann noch andere Varianten recherchiert: von der Behörde, bei der es Vorhänge erst für den Regierungsrat gibt; vom Elektrokonzern, wo Zimmerpflanzen nur dem Direktor zustehen. Der führende Auswuchs bis jetzt, der mir zugetragen wurde: farbige Toilettenbrillen auf höchster Vorstandsebene. Leider konnte ich letzteres bisher noch nicht persönlich nachprüfen, aber meine Quelle ist erstklassig und zuverlässig.

Nun ist ja nichts dagegen einzuwenden, sich den Arbeitsplatz so gemütlich wie möglich einzurichten — schließlich ist man an diesem Platz ja manchmal länger als

(Aus dem „Punch“)

in seinem eigenen Bett. Aber irgendwie muß so ein verborgener Restinstinkt in uns schlummern, aus der Zeit, als man sein Revier noch absteckte. Und so signalisiert man — mangels Häuptlingsfederbusch — nun eben auf zivili-siertere Weise: Achtung, ich bin wer!

Manchmal werde ich den Verdacht nicht los, daß all unser Imponiergehabe von den Firmen auch noch unterstützt wird. Vielleicht spart man sich durch diese Regelungen und Zugeständnisse ein höheres Gehalt?

Nicht auszudenken, wenn die Mitarbeiter anstelle solcher Spielchen mit Äußerlichkeiten plötzlich auf die Idee kämen, untereinander Informationen über ihre Gehälter auszutauschen, um hierin vielleicht die (einzig deutliche) Aussage über ihren Stellenwert zu erfahren?

Übrigens, wenn Sie nun wissen wollen, wie mein eigenes Büro aussieht: zwei Fensterachsen, 18 Quadratmeter, drei Zimmerpflanzen (von zu Hause entführt), gelbe Vorhänge (Leihgabe der Schwiegermutter) und — auf diesen Coup, der auf einem Irrtum der Post beruht, bin ich besonders stolz— zwei Telefone. Es hat schon Besucher gegeben, die haben zu mir „Frau Direktor“ gesagt.

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