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Die Axt im Haus

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Irgendwann im Jahr überkommt meinen lieben Mann der Renovierungsfimmel, meist dann, wenn die Kinder auf dem Lande sind und ich von beschaulichen Zeiten träume. Dann marschieren Leiter und Bohrmaschine auf, nasser Leim klatscht, die Säge kreischt durch Bretter, Leisten, Mark und Bein.

Murmeln Sie jetzt bitte nicht den Spruch von der Axt im Haus, die den Zimmermann erspart! Wir haben nie einen Zimmermann gebraucht, wohl aber alle

anderen Sparten von Professioni-sten, um unsere diversen Eigen-pfuschs wieder ins rechte Lot bringen zu lassen.

Immer um Gleichberechtigung bemüht, versuche ich natürlich, gute Miene zum lauten Spiel und mich nützlich zu machen.

Nachdem mir kurz hintereinander die Wasserwaage in den Leimkübel und das Eisenlineal auf die nackten Zehen gefallen sind, werde ich mangels besserer Qualifikation zu niedrigen Diensten abkommandiert.

Das schaut dann so aus. „Wo ist denn schon wieder die Schere?“ — Suchen, finden, bringen.

„Verflucht, schnell einen Fetzen!“ - Eilen, wischen, wringen.

„Geh, lauf doch gleich zum...“ — Und das fürchte ich am meisten: die Aufträge beim Eisenmax.

Da steh ich im Laden, den Einkauf szettel in der Hand, unter all den Overall-bedreßten, kernigen Männern mit den schwieligen Händen und dem gestandenen Auftreten. Mein in dieser Umgebung ohnehin angeknackstes Selbstbewußtsein beginnt dahin-zuschmelzen wie Blei unter dem Lötkolben.

„Bitte, zehn Schrauben zu acht Zentimeter.“ - „Holz oder Metall?“ - „Ich dachte, alle Schrauben wären heutzutage aus Metall?“- „FÜR Holz oder Metall!?“ Die Stimme des Eisenmax spritzt Verachtung, mein Seelchen duckt sich kurz unter dem Hieb, aber

schließlich brauche ich auch noch eine Eisenfeile. - „Mit Heft oder ohne Heft?“ Und auf meinen hilfeheischenden Blick: „Mit Heft kostet es einen Zwanziger mehr!“

Wozu so ein teures Heft? rotiert es im Hirn, mein Mann will feilen, nicht schreiben: „Ach, da hol' ich lieber ein billigeres in der Papier-

handlung!“ - „Ein Heft ist zum Halten, Gnädigste!“

Die Männer wechseln vielsagende Blicke, ich erröte tiefer als bei einem unanständigen Witz.

Wenn ich solcherart dreimal täglich zum Einkaufen geschickt werde, bedeutet das ebenso viele Schweißausbrüche und versteckte Demütigungen, dreimal emanzipatorische Rückschläge schlimmster Art.

Damit nicht genug. Präsentiere ich nämlich zu Hause meine „Errungenschaften“, dann heißt es nicht selten: „Was hat man dir denn da wieder aufgeschwätzt? Wer hat dir denn diesen Ladenhüter angedreht?“

Meine Werkzeugvorstellungen scheinen zwischen futuristischen Modellen und Flohmarktnostalgie nie den rechten Mittelweg zu finden.

Seitdem ich meinem lieben Mann beim Dübeln voller Uberzeugung die Stelle angab, wo meines Wissens die Elektro- und Gasleitungen laufen sollten, aber nicht liefen, und wir daraufhin eine Woche lang weder Gas noch Strom hatten, zieht er es vor, mich mit den Kindern aufs Land zu schicken. Und tut alles „himself“.

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