7014705-1988_22_08.jpg
Digital In Arbeit

Die grobe Reform

Werbung
Werbung
Werbung

Im Maria-Theresianischen Reformwerk kommt der Ordnung und dem Aufbau des elementaren Schulwesens besondere Bedeutung zu. Mit dieser ersten, großen österreichischen Schulreform ist der Name des Augustiner-Chorherrn Johann Ignaz von Felbiger (1724 bis 1788) engstens und untrennbar verbunden.

Felbiger, 1724 in Ober-Glogau im damals österreichischen Schlesien geboren, trat im Alter von zweiundzwanzig Jahren in das Augustiner-Chorherrenstift sein, dessen Abt er im Jahre 1758 wurde. Die Verbesserung der zur Abtei gehörenden Schulen und später überhaupt der katholischen Schulen in Schlesien und Glatz, die gegenüber den Schulen der evangelischen Gemeinden beträchtlich an Ansehen verloren hatten, wurde das vordringliche Anliegen des jungen Abtes.

Er studierte intensiv die maßgeblichen Reformpläne für das Schulwesen in anderen Ländern, bemühte sich selbst oder durch seine Mitarbeiter um unmittelbare Eindrücke von den praktischen Auswirkungen solcher Reformen und schuf endlich sein „Generallandschulreglement für die Rö-misch-Katholischen in Städten und Dörfern des souveränen Herzogtums Schlesien und der Grafschaft Glatz“, das 1765 die Genehmigung durch Friedrich II. von Preußen fand. Nach der grundlegenden Organisationsreform erfaßte er mit der Abhandlung über „Eigenschaften, Wissenschaften und Bezeigen rechtschaffener Schulleute“ die Lehrerbildung als zentralen Bereich jeder Schulerneuerung.

Die von Maria Theresia 1770 eingerichtete „Commission in Schulsachen“ konnte keinen konstruktiven Weg aus dem Gewirr von Zustimmung und Ablehnung der diskutierten Vorschläge und Pläne finden. Die ursprüngliche Auf bruchstimmung drohte an der Mentalität, daß eigentlich gar nichts geändert werden müsse, zu erlahmen. Diese Situation sowie Maßnahmen, die nach der Aufhebung des Jesuitenordens (1773) zwingend zu treffen waren, bestimmten die Entscheidung der Kaiserin, den Saganer Abt zu berufen.

Innerhalb relativ kurzer Zeit arbeitete Abt Felbiger seinen Entwurf zur Schulordnung aus, wobei er die in Schlesien gewonnenen Erfahrungen auswertete, zugleich aber auch sehr darauf bedacht war, die verschiedenen österreichischen Lösungen zu berücksichtigen. Sein Entwurf erhielt mit der Unterschrift Maria Theresias am 6. Dezember 1774 als .Allgemeine Schulordnung für die deutschen Normal-, Haupt-und Trivialschulen in sämtlichen Kaiserlich-Königlichen Erblanden“ Gesetzeskraft.

Die Schulorganisation, die zügig realisiert werden sollte, war von einfachsten bis zu höheren Büdungsstufen aufgebaut: Trivialschulen (ein- oder zweiklassig) in kleineren Städten und Märkten, auf dem Lande in Orten mit Pfarr- oder Filialkirchen; Hauptschulen (dreiklassig) in größeren Städten, zumindest aber in jedem Kreis oder Viertel sowie auch in Klöstern; Normalschulen (vier-klassig, zugleich auch Stätten der Lehrerbildung) in jeder Provinz. In jeder Provinz wurde auch eine Schulkommission eingerichtet (der spätere Landesschulrat). Ignaz Felbiger, der sich inzwischen zum Verbleiben in Österreich entschieden und als Abt von Sagan resigniert hatte, wurde erster „Ober-Direktor“ des österreichischen Volksschulwesens; außerdem erhielt er die Propstei zu Preßburg.

Felbiger war fest entschlossen, die gesetzlich festgelegten Organisationsformen in die bildungspolitische Wirklichkeit der Länder, Kreise, Städte und Orte umzusetzen und mit pädagogischem Leben zu erfüllen; erst diese Arbeit macht ihn zum Schulreformer. Mit seinem „Methodenbuch für Lehrer der deutschen Schulen“, einer erweiterten Bearbeitung seines früheren Werkes, setzte er sich mit persönlichem Engagement und amtlichem Nachdruck für die Realisierung der „verbesserten Lehrart“ ein. Der „Zusammenunterricht“ (Unterricht im Klassenverbande) verlangte aber auch entsprechende Schulräume sowie wesentlich verbesserte Schulbücher in ausreichender Zahl (eine „erste Schulbuchaktion“, zum Teil unentgeltlich, ist zu verzeichnen) und stets und besonders die Weiterbildung der Lehrer.

In seiner Vorlesung „Uber die Beschaffenheit und Größe der Wohltat, welche Maria Theresia durch die Verbesserung der deutschen Schulen ihren Untertanen, dem Staate und der Kirche erwiesen hat“, die Ignaz von Felbiger 1781 in Prag hielt, gab dieser bedeutende katholische Schulmann einen Rechenschaftsbericht über sieben Jahre schulpolitischer und pädagogischer Arbeit.

Die in dieser Vorlesung sehr vorsichtig geäußerte Sorge um die Fortsetzung seines Wirkens erwies sich als begründet. Joseph II., der den Abt aus Schlesien auch persönlich ablehnte, war mit verschiedenen Maßnahmen Felbiger s nicht einverstanden und kritisierte scharf die unzulänglichen Ergebnisse in der Verwirklichung der Schulreform. Der kaiserlichen Mißbilligung, durch die auch die zahlreichen Gegner Felbigers zu lautstarker, wenn auch meistens nur sehr allgemeiner, Kritik ermuntert wurden, folgten in demütigender Form Amtsenthebung und Abschiebung. Ignaz Felbiger verbrachte seine letzten Lebensjahre in Preßburg, wo er am 17. Mai 1788 verstarb. Seine Leistungen für das österreichische Schulwesen wurden von seinen unmittelbaren Nachfolgern ignoriert; sein Grab ist verschollen.

Im Mittelpunkt der Reformbestrebungen Felbigers stand die Volksschule, ihre rechte Organisation und die für sie zweckmäßigste Lehrmethode, wozu auch die so entscheidenden Gebiete der Lehrerbildung und Lehrerfortbildung gehören. Manches in seinen methodischen Vorstellungen war zu eng entworfen und damit rasch überholt; aber das Grundkonzept der Volksschule als der „ersten Schule des jungen Menschen“ war tragfähig, hat sich in der Entwicklung der nächsten Jahrzehnte bewährt und war wegweisend für die Schulorganisation in anderen Teüen der Monarchie und vielen Ländern Europas.

Der Autor ist Sektionschef im Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Sport.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung