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Die Neue Bahn -einfach fabelhaft

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Bisher war das eine Gegend gewesen, wo sich die Leute „Gute Nacht" sagten. Ein paarmal am Tag, wenn hier Züge hielten, erwachte der Bau aus Franz Josefs Zeiten aus seinem Domröschenschlaf.

Damals war er hauptsächlich für die Aristokratie des Fin de siecle als Sommerfrischenhaltestelle installiert worden. Wenn der Personenzug wieder abgefahren war, schlug die hölzerne Pendeltür ein paarmal auf und zu, um ein paar Bäuerinnen durchzulassen, die für ihre Besorgungen in der Stadt noch kein eigenes Auto hatten, oder ein paar ältere Urlauber aus Wien, die dann etwas unschlüssig vor soviel ländlicher Idylle standen.

Auf seinem Weg zum Einkauf auf dem Bauemhof kam der Fuchs fast täglich an der Bahnstation des kleinen Dorfes vorbei. Da fiel ihm efnes Tages das neue, aluminiumgerahmte Werbeposter der Bundesbahn ins Auge.

Das Rad fährt Bahn

Das Huhn fährt Bahn

Das Ei fährt Bahn

Ist das nicht nat, überlegte er flink— da fährt der Fuchs natürlich auch Bahn - und bestieg den nächsten Zug.

Kaum im Großraumwagen (angekommen), kam es auch schon zur Konfrontation mit den anderen Reisenden. Erst wollte er sich unter einem Sitz verstecken, aber so ein hysterisch kreischendes Touristenfrauenzimmer durchkreuzte diesen Plan. „Ein Füchschen! Ein Füchschen! Wie niedlich! Kommt doch mal alle her und seht!"

Seine erste Reaktion war, die überdrehte Zicke in die Wade zu zwicken. Doch dann besann er sich seiner Erziehung zur Diplomatie und mimte artigen Fuchs zum blöden Spiel. Sprang auf den blaugepolsterten Sitz und machte ganz auf Liebenswürdigkeit und Helft-mir-doch.

Im Nu war er von Kindern und deren Angehörigen umringt, die ihn mit Beschlag belegten, als gehöre er zum Unterhaltungsprogramm der Neuen Bahn. Sie streichelten sein Fell, plapperten in ihrer Dodelsprache auf ihn ein - ja, wo is es denn, das fuggi-fuggi kleine Fuxi? - wollten ihn mit ihrem degenerierten Reiseproviant vollstopfen, ja, schleppten sogar Bier und Mineralwaser aus dem Speisewagen an.

Dem Schaffner blieb der Auflauf nicht lange verborgen. Ohne langes Fackeln packte er den Fuchs bei den Ohren, schleppte ihn mit kurzen, dienstlichen Schritten durchs Abteil und warf ihn aus dem Gangfenster.

Am nächsten Tag berichteten die Zeitungen von einem Tumult in einem der Züge der Semmeringbahn. Die Fahrgäste waren über den Schaffner erbost, da er ihrer Meinung nach gegen alle Regeln von Greenpeace, des World Wildlife Fund (WWF) und der Tierliebe im allgemeinen verstoßen habe.

Der WWF strengte ein Verfahren gegen die ÖBB an, welches diese durch Eingehen auf alle Forderungen schnellstens zu beenden suchte, da es ihrem gerade im Aufbau begriffenen Image der Kundenfreundlichkeit gründlich zuwiderlief. Der Fuchs wurde ausfindig gemacht.

Er und seine Familie wurden ersucht, für ihre Geschäftsreisen doch wieder die Dienste der ÖBB in Anspruch zu nehmen. Die Füchsin mißtraute anfänglich diesem Angebot (sehr), da sie darin eine Falle witterte. Seit sie einmal anläßlich eines Besuches in der Stadt einen Schock erlitten hatte, als sie sich im Spiegel eines Pelzgeschäftes erblickt hatte, stand sie überhaupt jedem Ortswechsel äußert skeptisch gegenüber. Doch die Generaldirektion der Bahn versprach alle nur denkbare Sicherheit und Bevorzugung, einschließlich eines Gratishühnermenüs pro Fahrt für jedes reisende Fuchsfamilienmitglied.

Die Idee schlug ein.

Der REINECKE zwischen X und Y übertraf bald alle in ihn gesetzten Erwartungen. Betriebs- und Schulausflüge wurden gebucht und nicht zuletzt verluden unzählige Auslandsgäste für diese Strecke ihre Fahrzeuge auf den Autoreisezug, um mit den Füchsen reisen zu können. Die Ortschaften, die der Zug passierte, erlebten einen ungeheuren wirtschaftlichen Aufschwung.

In den Bahnhofskiosken wurden Tierbücher, Fabeln und Fotobände verkauft. Das Volkslied „Fuchs, du hast die Gans getohlen" gab es auf CD, Kassette und LP in Bearbeitung von Karl Moik bis großem Orchester. Die Ausländer jubelten How lovely, isn't it!" und fanden es „like in para-dise". Die an der Strecke liegenden Bauernhöfe hatten wesentlich geringere Einbußen bei ihrer Geflügelzucht zu beklagen.

Der REINECKE ist derzeit der einzig positiv bilanzierende Zug der Neuen Bahn. Austrian Airlines und Lauda Air bestürmen jetzt ihre Werbemanager, möglichst rasch einen ähnlich wirksamen Gag zu finden.

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