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Die Welt als Horizont

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Wiederholt hat man ausgeführt, daß die ökumenische Bewegung als ein originelles Faktum verstanden werden will: ein Faktum ohne Prä- zedenzen. Aber was ist das eigentliche Originelle daran? Meist meint man damit das bemerkenswerte Tauwetter zwischen den Konfessionen. Dann bekommt „ökumenisch“ gleich den Sinn von „interkonfessionell“. Es wird von den bestehenden Kirchen aus gedacht, die zu einer veränderten Haltung zueinander kommen sollen. Gegenüber dieser gegenwärtig besonders verbreiteten Tendenz wird es m. E. höchste Zeit, daß wir uns der ökumenischen Bewegung nicht lange auf dem Wege über so eine kirchliche Hintertür, sondern wieder über das weltliche Hauptportal anschließen. Originell ist, daß die Welt als Horizont akzeptiert wurde, als der Traum vom „Christlichen Abendland“ sich auflöste. Originell ist, daß die Christenheit für ihren Dienst in dieser Welt neu gruppiert wurde, und daß ein Anfang gemacht wurde mit dem, was wir heute so gerne die „missionarische Strukturierung der Gemeinde“ nennen. Originell ist, daß der Laie wieder Chancen erhielt und man endlich der quasi-christlichen Glocke, die über das ganze Leben gestülpt war, entkommen und das erweiterte Kloster des Corpus Chri- stianum verlassen konnte.

Was ist ökumenisch?

An dieses wirklich originelle Faktum werden wir in der Tat bei bestimmten Gelegenheiten wieder erinnert. Das geschieht zum Beispiel, wenn es auf Genauigkeit ankommt und der Weltkirchenrat als „ökumenisch“ definiert als „alles, was sich auf die ganze Aufgabe der ganzen Kirche bezieht, das Evangelium der ganzen Welt zu bringen“ (Rolle, 1951). Oder wenn der Generalsekretär dieses Rates nach jahrelangem Studium des Gehalts von „ökumenisch“ den Schluß ziehen kann: „Ökumenische Kirche ist in erster Linie missionarische Kirche, Kirche für die Welt, Kirche, die die Nöte der ganzen Menschheit als ihre Nöte versteht?'

Man kann sich jedoch nur schwer des Eindrucks erwehren, daß die Ökumenizität für gewöhnlich nur strikt innerhalb des kirchlichen Horizonts zur Sprache kommt. Der ganze zur Verfügung stehende Raum ist mit Ekklesiologie gefüllt. Die Welt ist aus dem Gesichtskreis geschwunden. So weit weg, daß sie nur noch sozusagen pietätshalber erwähnt wird.

Deshalb nun die Frage: Was kann es bedeuten, wenn wir uns wieder auf die Suche machen nach der Welt?

Wahrscheinlich hatte eine frühere Generation weniger Schwierigkeiten mit dieser Frage als wir jetzt. Nach der Welt als Horizont suchen, das war jedenfalls: sich evangelisierend auf den Weg machen nach den Enden der Erde. An diesem einen Wort hatte man offenbar genug. Evangelisation wurde die Chiffre für alles, was die Kirche in der Welt zu tun hat. Das Programm war kein Problem; die gesamte Aufmerksamkeit konnte auf die Ausführung konzentriert werden. Uns aber ist das Programm selber in hohem Maß problematisch geworden.

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