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Digital In Arbeit

Einmal Nordpol, bitte!

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Kurz vor dem Ende dieses k. Katastrophen-Sommers -und für mich ist jeder Sommer eine Katastrophe - bin ich soweit, ein Geständnis abzulegen. Jawohl, ich bin es gewesen: der Schrecken aller Reisebüros.

Sie werden erfahren, wie es dazu kam, daß ich in den diversen Reisebüros unseres Landes Lokalverbot erhalten habe.

Alles begann im letzten Winter. Ich wollte eine Reise buchen und schloß messerscharf, dies tue man am besten in einem Reisebüro. Ich hätte wissen sollen, daß ich den schönen Sprüchen der bunten Reisebeilagen der Zeitungen auf den Leim gegangen bin. Doch jugendlicher Leichtsinn ließ mich die innere Stimme überhören, die mich vor dem Betreten eines solchen Institutes warnte.

Festen Schrittes und mit fixen Zinszusagen für den Überziehungskredit auf meinem Gehaltskonto betrat ich also, zu allem entschlossen, ein Reisebüro. Zielstrebig steuerte ich in Richtung jenes Pultes, hinter dem eine jener aufregenden Damen saß, die sonst nur die Werbeblätter von diversen verdreckten Stränden zieren. (Merke: Je hübscher die zu Werbezwecken abgelichteten Damen, desto lausiger der Strand!)

Ich gab mir also einen Ruck und sagte - ganz Mann von Welt: „Ich möchte auf Urlaub fahren Was haben Sie denn so?“

Die Dame mit der Nickelbrille ziemlich weit vorne auf der Nase musterte mich von oben bis unten und hielt dann kurz inne, als ob sie mich taxieren müßte. Dann sagte sie ohne die Lippen richtig zu öffnen, und es klang ziemlich abfällig: „Caorle.“

Ich erstarrte. Nun gut, ich hatte nicht gerade meinen besten Nadelstreif, den ich ohnedies nicht besitze, aus dem Kasten geholt. Aber Caorle? Nein, wirklich nicht. Ich hob meine Stimme:

„Für wen halten Sie mich? Für einen Sandler? Nicht einmal mein Hausmeister fährt heutzutage noch nach Caorle, nachdem er es mit Artgenossen im Laufe mehrerer Jahrzehnte ruiniert hat!“

Beiläufig und uninteressiert sagte die mit der Nickelbrille: „Wieviel können Sie denn auslegen?“

Ich: „Sie meinen wieviel ich ausgeben kann?“

Überlegen stützte ich mich aufs Pult und betrachtete lässig meine . Fingernägel: „Mehr, als Sie in zwei Monaten verdienen I“

Sie: „Gran Canaria!“

Ich: „Sie haben noch immer nicht verstanden! Ich willUrlaub machen! Und Urlaub heißt für mich: Urlaub von den Menschen Ich will keine Leute sehen und keine Sonne. Haben Sie verstanden?“

Sie: „Dann machen Sie halt Urlaub in einem Bergwerk.“

Ich drehte mich um und verließ grußlos dieses seltsame Reisebüro.

Beim nächsten so gearteten Lokal war ich schon wesentlich gewitzter. Mit weltmännischer Attitüde warf ich mich in den Besuchersessel und sagte leichthin- „Ein ordentliches Urlaubsziel, Kosten spielen keine Rolle.“

Auch hier saß eine mondäne Strandschönheit hinter dem Tisch. „Wie war es mit den Bermudas?“ Ich: „Wie warm ist es dort?“ Sie: „35 Grad!“

Ich: „Liebe Dame, ich will Urlaub machen. Sterben kann ich hier auch, und zwar wesentlich billiger!

Sie: „Was stellen Sie sich denn vor?“

Ich: „Ich habe schon gesagt, Kosten spielen keine Rolle. Ich will nur zwei Sachen nicht: Menschen und Sonne.“

Sie bedauerte, danach bestehe kein Bedarf. Auf die Frage, ob ich denn kein Bedürftiger sei, verweigerte sie eine Antwort und ich stand wieder auf der heißen Straße.

Es war ja wirklich zu verrückt. Da stöhnten die Leute in Wien unter der Hitze und fuhren im Urlaub - in die Hitze. Also probierte ich es noch ein letztes Mal.

Eine kühle Blondine saß im nächsten Verkaufslokal. Das erfreute mich, die würde vielleicht auch einen kühlen Urlaub anbieten können

Also probierte ich es wieder: „Erstens: Kosten spielen keine Rolle. Zweitens: Keine Menschen Drittens: Keine Sonne. Und schön kalt soll es sein, wenn ich bitten darf.“

Sie hielt mir ein Pack Prospekte hin: „Das ist alles, was wir haben“ Es war wirklich ziemlich viel. Aber was sahen meine schweißgetrübten Augen? Endlose Sandstrände, glühende Sonne, verbrannte Landschaften Myriaden von Liegestühlen Ich brauchte nur auf die Prospekte zu gucken, und das Wasser rann mit den Rücken hinunter.

Sie: „Alle Welt zieht es in den warmen Süden“

„In den heißen Süden!“, korrigierte ich und: „Ich bin außerdem nicht alle Welt. Ist es denn nicht möglich, irgendwo auf diesem Erdenrund ein Reisebüro zu finden, das mir ein kühles, menschenfemes Urlaubsziel vermitteln kann?

Nennen Sie mir eine Destination, bei der Sie mir mindestens zehn Regentage und höchstens fünf Stunden Sonnenschein garantieren können Ichbuche sofort undzahle jeden Preis.“

Die kühle Blondine sah mich ebenso kühl an und meinte: „Für Leute wie Sie haben wir nichts. Fahren Sie auf den Nordpol.“

Ich: „Aber Sie sind, der Spezialist. Vermitteln Sie mir ein kleines Ferienhaus auf dem Nordpol. Vermit-temSiemirHundeschhttenfürHin-und Rückfahrt. Aber vermitteln Sie endlich! Was sind Sic denn für ein Reisebüro!?“

Ich mußte den letzten Satz ziemlich laut gesagt haben. Jedenfalls verwies sie mich des Raumes. Und in Reisebüros werde ich nicht mehr hineingelassen, seit überall mein Foto hängt. Ich werde wohl ein eigenes Reisebüro aufmachen müssen — für mich und meinesgleichen

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