7114719-1996_11_07.jpg
Digital In Arbeit

Verliert die Kirche die Jugend?

Werbung
Werbung
Werbung

Bei Bildungsveranstaltungen in den Pfarren, selbst bei Festgottesdiensten sehe ich nur selten Jugendliche. Verliert die Kirche die Jugend? Ich treffe Jugend in kleinen Gruppen in den Pfarren, die aber eher ein „Eigenleben" führen. Ich kenne überpfarrliche Gebetsgruppen, auch international vernetzt, die mir für die notwendige Erneuerung der Kirche zu wenig problembewußt sind. Der großen Mehrheit der Jugend ist die Kirche fremd. Wieso?

Jugend findet ihre persönlichen Anliegen im Leben und Feiern der Pfarre zu wenig angesprochen, wie Friede, Gewaltlosigkeit, Partnerschaft, Umwelt, neue Formen der Genügsamkeit, Dritte Welt, Freiheit, persönliche Form der Gottesbegegnung. Der Gottesdienst ist für sie in Sprache und Riten lebensfremd, erscheint unwahrhaftig, weil Leben im Alltag dem Verkündeten oft nicht entspricht. Sie erleben Kirche nicht befreiend, eher einengend. Über Partnerschaft und Liebe denken sie anders als die ältere Generation und kirchliches Lehramt. Ihre Begeisterung für die Person Jesu findet zu wenig Anklang, sie finden kaum Vorbilder radikaler Jesusnachfolge. Sie vermissen Zukunftsperspektiven, erleben eher Verteidigung von Traditionellem und daß „Neuerer" nicht gern gesehen, eher gemaßregelt werden.

Wie sollte Kirche darauf reagieren? Zunächst die Jugend in ihrer Kritik und ihren Bedürfnissen ganz ernst nehmen. Ihr weniger mit Normen kommen als mit einer wertorientierten Pastoral, wo das Positive im Vordergrund steht, was dem Leben dient und Sinn gibt. Jugend braucht nicht nur Versorgung, sondern Herausforderung: zu Kritik, Selbständigkeit, verantwortungsvollem Gebrauch der Freiheit, durch ein anspruchsvolles spirituelles Angebot. Schließlich müßte man ihr Zeit lassen zu reifen und von kirchlicher Jugend nicht gleich mehr verlangen, als engagierte Katholiken zu leisten bereit sind.

Roman Bleistein, der junggebliebene Jugendpädagoge, hat kürzlich die Jugend mit den Kundschaftern des Volkes Israel verglichen, die ein gelobtes Land entdeckt haben und zurückkehrend von den wunderbaren Früchten schwärmten. Gleichzeitig packte sie die Angst vor „riesigen" Schwierigkeiten. Die Jugend soll uns ihr erträumtes Land (Kirche) vorstellen. Gemeinsam mit ihr sollten wir es dann neu zu erobern versuchen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung