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Im Musikverein

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Bernhard Haitink debutierte als Gast der Philharmoniker in deren viertem Abonnementkonzert: Ein solider Musiker, ein kritisch-iiber-legener Dirigent, der klare, iiber-sichtliche Formen schatzt, Kontraste betont lebhaft darstellt. Haydns „Mirakel“-Symphonie (Nr. 96), die vor BrucJcners „Funfter“ nur ein iiblicher Verlegenheitsvorspann schien, geriet ihm sachlich, in den Details sehr lebhaft, in den Phrasen, die Haitnik voll ausschwingen laBt, schon modelliert. Um so mehr wun-derte man sich, wie wenig Beziehun­gen er zu Bruckner hat, obwohl er als Nachfolger van Beinums und Mengelbergs, also der beiden Haupt-wegbereiter Bruckners und Mahlers beim Concertgebouw-Orchester und damit in Westeuropa, gerade den Meister von Sankt Florian als den „seinen“ reklamiert. Die „Funfte“ geriet vollkommen unausgeglichen: Formabschnitte standen beziehungs-los nebeneinander. Die kompositori-schen Spannungen wurden auf die Gegensatze von angeheizter Drama-tik und betulicher Lyrik reduziert. Und von geistiger Affinitat zum „glaubigen“ Bruckner war nichts zu spiiren.

Ebenfalls im Musikverein prasen-tierten der Wiener Singverein und das ORF-Symphonieorchester unter Helmuth Froschauer ein Chorkonzert: ein bunt zusammengewurfeltes Pro­gramm mit Werken wie Beethovens Derwisch-Chor zu Kotzebues „Rui-nen von Athen“, dem schonen „Om-nes de Saba venient“ von Josef von Eybler, einem Albrechtsberger-Schu-ler, der eigentlich hatte Mozarts Requiem vollenden sollen, sowie Werken von Mozart („Ave verum“), Haydn (Juchhe-Chor aus den „.Tah-reszeiten“), Brahms („Schicksals-lied“), Vivaldi (..Gloria“1) u. a. Ein-drucksvoll waren da nur die Soli-sten Arleen Auger und Ingrid Mayr.

Der designierte Salzburger Opern-chef Leopold Hager bestand fur sich, fiir das Mozarteum-Orchester, fiir Wagner und fiir eine Idee den Test. Einen Test, den er mit einem halben Dutzend „Lo/iengrm“-Auffuhrungen bestehen wollte: Es ging darum, das Salzburger Theaterpublikum fur eine bestimmte Auffuhrung im Klei­nen Festspielhaus zu begeistern. Die Hauptpartien sollten mit Gasten be-setzt werden, heimische Krafte das Esemble abrunden. Nach diesem ..Lohengrin“ nun scheint die Pflege der groBen Oper im Festspielhaus gesichert, man denkt fiir die nachste Saison daran, Mozarts „Don Gio­vanni“ aufzufuhren.

Das Mozarteum-Orchester verfiigt iiber Stretcher, die der konsequenten Erziehung zuganglich sind. Delikat und sicher klangen die ersten Striche — das muBte gut gehen!

MaBgeblich am Erfolg dieses Abends beteilgt waren die Prota-gonisten: Peter Weinberger gab den Konig Heinrich wiirdevoll mit schonem BaB, Hermann Winkler lieB in der Gestaltung seines Lohengrin keine Unsicherheit merken, Roberta Knie als Elsa iiberzeugte mit sehr schoner Stimme, Joy Mclnlyre ver-lieh der Ortrud starke Konturen, die Hohe kam bei ihr leicht, ohne An-strengung, sie gefiel auch von der Zeichnung des Charakters her am meisten. Rolf Kiihne als Telramund lieB ebenfalls keinen Wunsch offen. Als Heerrufer hatte man Boris Rubaschkin vom Salzburger Landes-theater eingesetzt, und was schon in der vergangenen Saison im „Don Carlos“ zu bemerken war, als er einen hinreiBenden Posa sang: je grdBer die Oper und die Partie um so besser singt Rubaschkin. Die Edlen von Brabant waren ebenfalls mit Kraften des Landestheaters besetzt, die durchaus den Anforderungen ent-sprachen. Leider allzu konventionell: Dieter Biilter-Marells Regie, das Biihnenbild von Erwin Zimmer mit dem arenaartigen Aufbau zeigte, wo man sparen mufite (was hier durch­aus vertretbar war). Die Kosttime lieh die Wiener Staatsoper.

Am erstaunlichsten an der ganzen Auffuhrung war wohl die eminente Leistung des Kammerchores der Salzburger Festspiele unter Oskar Peter, der dazu den Chor des Lan­destheaters und noch einige Krafte zu einem Wagner-Chor zusammen-schweiBte.

*

Es ist fiir ein Publikum einer klei-neren Stadt mit einem nicht allzu groBen Theater sicher interessant, mit Mozarts „Titus“ nicht nur kon-zertant konfrontiert zu werden. Allein: Wer die Krafte nicht hat — und „Titus“ fordert Spitze — sollte sich besser nicht an diesen Mozart wagen. Denn er braucht psycholo-gische Differenzierung. Es ist halt zuwenig, wenn die eine oder andere Arie schon iiber die Rampe kommt, ordentlich musiziert wird und das Biihnenbild von Wander Bertoni am meisten uberzeugt. Gandolf Busch-beck hat Mozart, sich selbst und dem Theater, mit dieser Regie nicht den besten Dienst erwiesen, denn „Titus“ ist ja nicht so zu verkaufen wie viel­leicht „Die Hochzeit des Figaro“. Schwach war der Titus von Hans Wegmann (Augsburg), stimmlich iiberzeugten noch am meisten Elfriede Knapp als Vitellia und Eva Roland als Sextus. Paul Angerer fiihrte das Mozarteum-Orchester mit sicherer Hand. Die Auffuhrung war allerdings bemiiht und wurde auch entsprechend mit Applaus bedacht.

Auf dem Schauspielsektor ist von einer Tennessee-Williams-Auffiihrung zu berichten, von „Orpheits steigt herab“, die mit Gerd Rigauer, dem sonst Polternden, und Eva Ser-vaes in der Regie von Heinz Wilhelm Schwarz, einiges Nieveau hielt. In den Kammerspielen sah man eine entziickende „Donna Diana“ mit Hanne Rohrer in der Titelrolle und der Regie von Klaus Gmeiner, der Moretos Mantel- und Degenstiick

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