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Kaputtes System
Streik der Akademie der bildenden Künste: Mehr als 200 Studenten diskutieren sachlich ein Forderungsprogramm. Schmieraktionen gegen Professor Roland Rainer haben an Türen und Wänden und in der Gesamtstimmung Spuren hinterlassen. Die Hochschülerschaft versucht, soweit möglich, Presse und Rundfunk und Fernsehen zu informieren, die erst jetzt auf Mißstände aller Art an Österreichs Kunsthochschulen aufmerksam werden. Dennoch: der Streik verläuft ruhig. Weil er mehr „Warnung” sein soll als endgültiger Bruch mit der Hochschule. Daß freilich das System der österreichischen Hochschulen in eine Krise geraten ist, daran zweifelt niemand. Wie war es dazu gekommen?
Streik der Akademie der bildenden Künste: Mehr als 200 Studenten diskutieren sachlich ein Forderungsprogramm. Schmieraktionen gegen Professor Roland Rainer haben an Türen und Wänden und in der Gesamtstimmung Spuren hinterlassen. Die Hochschülerschaft versucht, soweit möglich, Presse und Rundfunk und Fernsehen zu informieren, die erst jetzt auf Mißstände aller Art an Österreichs Kunsthochschulen aufmerksam werden. Dennoch: der Streik verläuft ruhig. Weil er mehr „Warnung” sein soll als endgültiger Bruch mit der Hochschule. Daß freilich das System der österreichischen Hochschulen in eine Krise geraten ist, daran zweifelt niemand. Wie war es dazu gekommen?
Durch verschiedene Vorfälle an der erstickt wird; das heißt, studentische „Bildenden” beunruhigt, hatten ein Mitbestimmung bei administrativen paar Studenten alles in Bewegung Angelegenheiten des Studienablaufs, gebracht: Eine ministerielle Unter- verankerter Schutz der Klassenver suchungskommission hatte festgestellt,’ daß die Studenten Professor Roland Rainers „autoritäres Vorgehen” im Unterricht ablehnten, und boten nach längeren Verhandlungen eine provisorische Lösung an, um den Streit zwischen Rainer und seinen Hörern zu beenden. Diese sah vor, daß die von Rainer abgelehnten Studenten in der Klasse Professor Plischkes oder an der Akademie für angewandte Kunst weiterstudieren sollten. Eine neutrale Prüfungskommission wurde nicht in Betracht gezogen, obwohl die Studenten selbst diesen Vorschlag unterbreitet hatten. Wie nicht anders möglich, wurde daraufhin von den Studenten der Kompromiß abgelehnt und zum Streik in allen Klassen der Akademie aufgerufen, erstens, weil Professor Rainer nach verschiedenen anderen Vorfällen fünf Studenten die zur Weiterinskription notwendigen Testuren verweigerte, und darüber hinaus, weil das gesamte Meisterschulprinzip abgelehnt wird.
Wie sieht der Forderungskatalog der Studenten aus?
• Aufhebung der patriarchalisch- autoritären Position des Leiters der Meisterschule,
• Erneuerung, indem man nicht immer nur ehemalige Schüler der Akademie zu Professoren macht,
• eine Neuorganisation, die nicht durch Administration und Tradition tfeter gegen Repressalien und Einami des zuständigen Ölt-Referen- ten in die Finanzgebarung der Akademie.
Für die Zukunft, also für die Reform, denken die Studenten nun vor allem an eine in zwei Hälften geteilte Kommission, in der Professoren, Assistenten und Studentenvertreter sitzen sollen. Diese Kommission könnte das überalterte Meisterschulprinzip ersetzen und zeitgemäßere Formen ausarbeiten.
Jedenfalls wurde der Forderungskatalog bereits am ersten Streiktag, Montag, mit 208 gegen 4 Stimmen angenommen. Endgültige Entscheidungen stehen vorerst noch aus.
Das heißt nun: der Streik geht nicht mehr für oder gegen einen Professor. Es geht um ein autoritäres System, das seine Altersschwächen zeigt.
Vor allem sollten jetzt all die, die das Gewicht ihrer Worte und Überzeugungskraft gegen diese Reform in die Waagschale werfen wollen, gründlich überlegen. Natürlich wissen sie es ganz genau, daß der Ruf nach Mitbestimmung den Studenten ungeheure organisatorische Arbeit aufbürdete und daß Einigkeit nicht gerade deren größte Stärke ist. Aber ist es nicht sinnlos, einen vorläufigen Vorteil in der Frontstellung gegen die Studenten ausnützen zu wollen: die Rechnung würde ohne den Wirt gemacht.
Denn die Akademie ist wohl kaum für die Professoren da. Nicht um der Lehrer willen wurden Schulen gegründet, sondern um derer willen, die kommen, um zu lernen. Und daß just Studenten heute ein Anrecht auf gründliche moderne Information haben, wird niemand mehr ernsthaft bestreiten.
Prestigegedenken wird in Hinkunft kaum Ergebnisse zeitigen, die fruchtbare Diskussion hingegen endlich zu einer vernünftigen Arbeitsbasis führen. Die Situation unserer Akademien ist bedenklich genug. Unser Renommee längst hart angeschlagen. Auch von den Professoren wird es ab hängen, ob diese Institute wieder lebendige Zentren kreativer Arbeit werden oder Leitfossile einer erstarrenden Kultur.
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